Eduard Airich


Eduard Airich – der später berühmte der Sowjetunion und Kasachstans im Rasenhockeywurde am 20. November 1918 in der deutschen Siedlung Mariental, dem späteren Regionalzentrum der Autonomen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen geboren.

Sein Vater Ferdinand Ferdinandowitsch Airich (1899 – 1965), gebürtiger Wolgadeutscher, arbeitete als Rechnungsprüfer im Volkskommissariat für Finanzen NarKomFin bis zu dessen Auflösung im Jahre 1941. Seine Mutter Paulina Filippowna (1899 – 1965) war Schneiderin in Engels. Im September 1941 wurden die Eltern in das Gebiet Krasnojarsk deportiert, wo sie bis zum Herbst 1945 in einer der Fischereikolchosen arbeiteten. Anschließend konnten sie umziehen in die Stadt Krasnoturinsk im Gebiet Swerdlow, wo ihr Sohn Eduard in der Trudarmee Arbeit leisten musste. Hier standen sie unter Aufsicht der Sonderkommandatur bis zum Ende 1955, so wie alle Deutschen in der Sowjetunion.

Die Kindheit verbrachte Eduard im Dorf Mariental im gleichnamigen Kanton der Autonomen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen. Hier beendete er die siebenjährge Schulausbildung und studierte am Technikum Marxstadt Mechanisierung der Landwirtschaft. Im Herbst 1935 wurde Airich vom Komsomol durch Sonderrekrutierung an die Wolgaer Fachhochschule für Militärluftfahrt entsendet. Zu dieser Zeit beherrschte er die russische Sprache noch schlecht und das Studium zeigte sich schwierig. Aber Beharrlichkeit und Arbeitswille führten bald zu glänzenden Ergebnissen. Bereits im Jahr 1937 prangte sein Name auf der Ehrentafel der Fachhochschule, woraufhin der Militärrat des Militärgebietes Wolga ihn mit einer Ehrenurkunde auszeichnete und in das Ehrenbuch eintrug. Nichtsdestotrotz war es ihm nicht bestimmt Flugoffizier zu werden: Unter den Absolventen der Abschlussprüfungen des Jahres 1938 wurden er und alle Deutschen der Fachhochschule aufgrund ihrer Nationalität exmatrikuliert. Über diesen schweren Schicksalsschlag kam der junge Eduard nur schwerlich hinweg. Nach seiner Rückkehr nach Marxstadt arbeitete er in der Redaktion der Kantonszeitung „Rote Sturmfahne“. In seiner Freizeit trieb er aktiv Sport. Er nahm als Teil der Auswahlmannschaften im Fußball und Hockey für die ASSR der Wolgadeutschen an den Spartakiaden der autonomen Republiken der Russischen Sowjetrepublik teil.

Noch vor Beginn des Krieges, im Jahre 1940, trat er den Reihen der KPdSU bei, aber am Tag der Kriegsbekanntmachung erklärte er sich freiwillig auf einer Versammlung in Marxstadt zum Abmarsch an die Front. Doch dazu kam es nicht.

Im September 1941 wurde Eduard Auchich zusammen mit seiner Frau und dem einjährigen Sohn in das Gebiet Krasnojar deportiert. Hier wurde die Familie getrennt, als man dessen Oberhaupt in die Trudarmee in den nördlichen Ural schickte, wo er den leidvollen Marsch der Trudarmisten in die Lager des Bogoslower Aluminiumwerkes in Krasnoturinsk durchlebte. Aber selbst unter den Verhältnissen von Repressionen und Genoziden gegen sein Volk glaubte er an die kommunistischen Ideen und bewahrte die Hingabe zur Partei. Er war politischer Leiter, veranstaltete Parteiversammlungen mit deutschen Trudarmisten und rief zur aktiven Zusammenarbeit mit den Machthabern im Namen des Sieges der Sowjetunion auf. Er war Mitarbeiter der auflagenstarken Zeitung des Bogoslower Aluminiumwerkes „Stalinsche Baustelle“.

Der Sieg der UdSSR über Hitlerdeutschland, im Gegensatz aller Erwartungen von Airich, brachte keine Befreiungen der sowjetischen Deutschen und brachte ihn nicht zurück zu seiner innig geliebten Wolgarepublik. Viel mehr wurden sowjetische Staatsbürger mit deutscher Nationalität, darunter solch treue Kommunisten wie Eduard Airich, noch für weitere 10 lange Jahre unterdrückt und von der Sonderkommandatur gedemütigt, vom Studium in zahlreichen Hochschulen ferngehalten und anderen Repressalien ausgesetzt. Dies hinterließ neue, tiefe Wunden in der Seele.

Aber das Leben ging weiter und Airich suchte einen tieferen Lebenssinn. Eine jugendliche Begeisterung für Sport erweckte in ihm neue Kräfte. Im Jahre 1948, im Alter von 30 Jahren, organisierte er in Krasnoturinsk am Bogoslower Aluminiumkombinat die erste Sportschule für Kinder und Jugendliche. 16 Jahre spendete er dieser wichtigen und edlen Sache. Die Erfolge von Airich wurden sogar im fernen Alma-Ata, wie es zu dieser Zeit hieß, wahrgenommen, wohin er im Jahr 1964 für die Funktion des Cheftrainers des örtlichen Hockeyclubs „Dynamo“ eingeladen wurde. Zu dieser Zeit belegte der Club den zehnten Platz in der Tabelle der Meisterschaft der UdSSR im Rasenhockey. Dank der Anstrengungen Airichs erreichte die Mannschaft bereits nach einem Jahr die Bronzemedaille der Meisterschaft der UdSSR. Später führte er die Mannschaft 19 Mal zum Meisterschaftstitel der Sowjetunion, zwei Mal zum Europapokalsieg. Zwischen 1974 und 1986 war er der leitende Trainer der Herrenauswahlmannschaft der Sowjetunion im Rasenhockey, erkämpfte die Bronzemedaille in den 22ten Olympischen Spielen 1980 und die Silbermedaille in den Europameisterschaften.

Über die Jahre der Arbeit in Alma-Ata trainierte Eduard Airich elf verdiente Meister des Sports in der UdSSR, 30 internationale Sportmeister und mehr als 150 Meister im Hockeysport. Im Jahr 1979 wurde ihm der Titel „Verdienter Trainer der Kasachischen Sowjetrepublik“ verliehen, und im Jahr 1973 der Titel „Verdienter Trainer der Sowjetunion“. Im Jahr 1979 verlieh man ihm den Titel „Verdienter Arbeiter der Kultur der Kasachischen SSR“ und im Jahr 1983 den „Orden der Völkerfreundschaft“ der Kasachischen SSR.

Eduard Ferdinandowitsch war ein vorbildlicher Familienvater. Mit seiner Frau Emilia (eine geborene Beckel aus dem Dorf Zürich im Wolgagebiet), einer Absolventin der Marxstädter pädagogischen Fachhochschule, lebte er mehr als ein halbes Jahrhundert in Liebe und Harmonie zusammen bis zu seinem Tod im Jahr 1992. Sie zogen liebenswürdige Kinder groß. Der älteste Sohn Juri (geboren 1940) lebt und arbeitet in Almaty als Vorsitzender einer städtischen Energieversorgungsgesellschaft. Seine Tochter heiratete einen Kasachen und verschwägerte sich mit dem kasachischen Volk. Sie lebt jetzt in der Heimat der Vorfahren. Der zweite Sohn Waleri (geboren 1947) und die Tochter Irina (geboren 1950) leben heute in Deutschland. Die Familiengeschichte von Eduard und Emilia Airich setzt sich fort mit inzwischen 6 Enkeln, 6 Urenkeln und 2 Ururenkeln.

Airich war ein großer Patriot seines Volkes, was er immer mit der Treue zu seinem Vielvölkerstaat verband – die Sowjetunion, die Russische Föderation und ebenso die Republik Kasachstan. In die Nationalbewegung der Sowjetdeutschen schaltete er sich im Sommer 1988 ein, als sich in der UdSSR ihre vierte Delegation auf die Arbeit in Moskau vorbereitete. Später war er Delegierter beim Kongress der Deutschen der UdSSR, beim zweiten Kongress der Deutschen der Gemeinschaft unabhängiger Staaten und beim ersten Kongress der Deutschen Kasachstans.

Eduard Ferdinandowitsch war eine strahlende, charismatische Figur mit einer unanfechtbaren Autorität in der deutschen Bewegung. Dies förderte eine Reihe strahlender Merkmale seines Charakters, sein erstaunliches Schicksal und Leistungen in seinem persönlichen Leben. Lüge, Heuchelei und unterwürfige Anpassung verachtete der körperliche und geistige Riese und stieß sie ganz und gar von sich. Wenn er redete, faszinierte er seine Zuhörer mit echter Offenbarung und Überzeugung. Er war ein Kommunist durch und durch, aber mit einem strahlenden, menschlichen Antlitz. Aigich glaubte an die kommunistischen Ideen und trennte sich von ihren Grundpfeilern nur mit großer Mühe unter dem Druck der unumgänglichen Enthüllungen in der Periode Gorbatschows „Umbau“ der Sowjetunion. Er glaubte länger als andere an die Führung des Landes durch Staat und Partei und rief zur Zusammenarbeit mit ihr bei der Rehabilitierung seines Volkes auf. Aber bis zum Tode Airichs brachte diese Regierung zu viele negative Anlässe vor, um an ihre Absicht zu glauben, das deutsche Problem in der Sowjetunion und in Russland gerecht zu lösen.

In der Periode der größten Hoffnung auf die positive Entscheidung der deutschen Frage zwischen 1989 und 1991, wurde Eduard Airich in den Kader des staatlichen Organisationskommitees zur Vorbereitung des ersten Kongresses der Deutschen der UdSSR berufen. Er hat seine Arbeit sehr ernsthaft und verantwortungsvoll ausgeführt und ist ständig zu seinen Sitzungen nach Moskau gefahren ungeachtet seines Alters und seiner gesundheitlichen Verfassung. Eduard Ferdinandowitsch lehnte die Idee der schrittweisen Rehabilitierung ab, die vom Zentralkommittee der kommunistischen Partei ausging, und verglich sie mit dem Versuch, die Resultate der Deportation der sowjetischen Deutschen auf ewig zu besiegeln. Er war einer der ersten, der die beispiellosen Repressionen gegen sein Volk bei dem angemessenen, wissenschaftlichen Ausdruck nannte: Genozid. Airich distanzierte sich einige Zeit lang von den radikalen Forderungen der Gruppe um Heinrich Grout, lehnte die sogenannte Gruppe der Konstruktivisten um ihr Oberhaupt Hugo Wormsbecher ab. Umso wertvoller war die Rede Airichs vom Rednerpult in der ersten Etappe des ersten außerordentlichen Kongresses der Deutschen der UdSSR, welcher im März 1991 in Moskau stattfand. Hier entlarvte er das Handeln des behördlichen Organisationskommittees und erklärte demonstrativ seinen Austritt aus demselben. Mehr als 500 Delegierte dieses historischen Forums, die die Regierung der UdSSR als außerhalb des Gesetzes deklarierten, feierten stehend und unter langanhaltendem Applaus diesen mutigen Schritt. Die Delegierten dieses Kongresses wählten aus ihrem Kader 10 außerordentliche Vertreter, darunter Eduard Airich, welche das gesamte Volk aus zwei Millionen Unterdrückten in der Zeit bis zum nächsten gesamtnationalen Forum vertreten sollte. Offenbar, da er auf allerhöchster Ebene Autorität genoss, wurde er nicht von der Liste der Teilnehmer für die Treffen der sowjetischen Deutschen mit dem Präsidenten der UdSSR Michael Gorbatschow gestrichen. Auf dieser Liste befand sich kein Einziger aus der Führung des provisorischen Rates zur Rehabilitierung der sowjetischen Deutschen, welcher auf diesem Kongress gewählt wurde, was besonders das antidemokratische und ungerechte Wesen der Prinzipien der Sowjetmächte auf dem Weg zur Rehabilitierung der Deutschen in der UdSSR betont, ihre Missachtung des wahren Volkswillens.

Auf dem zweiten Kongress der Deutschen der früheren Sowjetunion, der unter der Teilnahme der Regierungen Russlands und der Bundesrepublik Deutschland im März 1992 stattfand, stürzte sich Eduard Ferdinandowitsch wutentbrannt auf den betrügerischen Einfall des russischen Präsidenten Boris Jelzin der Schaffung einer deutschen Autonomie auf dem ökologisch verseuchten Raketentestgelände Kapustin Jar in einem halb ausgestorbenen Kreis in der Region Wolgograd. „Das übersteigt die Grenze jeglichen Zynismus!“, äußerte der frühere Arbeitssoldat. Eine solche Bewertung von Jelzins Rede von den Lippen eines ruhmreichen Veteranen entsprach völlig der Auffassung sämtlicher russischer (sowjetischer) Deutscher, nach der ihr Austritt aus der früheren Sowjetunion unumgänglich wurde.

Zum letzten Mal sahen und hörten wir Eduard Airich am Rednerpult des ersten Kongresses der Deutschen Kasachstans im Oktober 1992 in Alma-Ata. Er sprach mit Schmerz und einer gewissen Hoffnungslosigkeit über die deutschen Trudarmisten. Man spürte in seiner Rede den Bruch, ohne die frühere Zuversicht und Hoffnung. Ebenso wie die zertretenen Hoffnungen der russischen Deutschen auf ihre Rehabilitierung erlosch er gleichsam in den Augen aller, als er die historische Bühne der Kommunistischen Partei der Sowjetunion verließ. Bald danach, am 18. Januar 1993, verstarb er. Er ging am Morgen zur Arbeit und verließ unsere schuldige Welt für immer. Ein Blutgerinnsel beendete sein irdisches Leben. Ein Mensch schied aus dem Leben und mit ihm ging alle Hoffnung auf eine strahlende Zukunft seines Volkes, und nach ihm verschwanden beinahe alle Vertreter zweier Generationen von Trudarmisten, welche die Herstellung der Gerechtigkeit nicht mehr erlebten. Und all dies unter den Voraussetzungen der zahlreichen Aussagen und Zusicherungen von Seiten der Behörden der UdSSR, Russlands und Deutschlands über ihre Schuld und Verantwortung für das dramatische Schicksal der russischen Deutschen.

Aber das Andenken an Eduard Ferdinandowitsch Airich bleibt für immer in den Herzen Tausender und Abertausender seiner ethnischen Landsmänner, der Sportwelt der Republiken der ehemaligen Sowjetunion und insbesondere Kasachstans. Dankbare Kasachen haben diesem wundervollen Menschen ein Denkmal in Form der Umbenennung einer Straße in der früheren Hauptstadt Almaty ihm zu Ehren und einer Gedenktafel an seinem Wohnhaus gesetzt.

 


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