Zur Erinnerung…

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48 Minuten… Das ist die Laufzeit des Filmes „Die deutsche Familie. Russlanddeutsche über Sibirien, die Familie und die Freiheit“. Jede Minute ist Erinnerung – Schwermut, Tränen, Hunger, durchlebte Verhöhnungen, Gedanken über das Überleben. Jede Minute ein Glockenschlag, den jeder von uns in diesem bestimmten Moment hört. Der Film handelt nicht nur vom Schicksal der Helden, den Deutschen von Tomsk, sondern auch von den zehntausenden derer, die vor fast 80 Jahren alles verloren hatten. Mit jeder Geschichte, mit jedem Wort versteht man, wie schwer es für die Russlanddeutschen damals war, zu überleben.

Die Premiere des Films fand im Dezember des letzten Jahres statt. Bis heute haben den Streifen rund einhunderttausend Menschen gesehen. Under ihnen auch die Aktivisten der Aktobinsker Gesellschaft der Deutschen.

– Mir gefallen solche Dokumentarfilme, in denen ohne Beschönigung jüngere Ereignisse gezeigt und von ihnen erzählt wird. Hier gibt es keine Schauspieler oder Komparsen, und die braucht es auch nicht. Dies sind die echten Geschichten derjenigen, die die Belastungen der Repressionen erlebt haben. Nachdem wir den Film gesehen haben, haben wir Jungs und Mädels noch lange darüber diskutiert, – erzählt die Leiterin des Aktobinsker Jugendklubs „Junge Sterne“ der deutschen Gesellschaft „Wiedergeburt“ Anna Geer.

Sich an alles erinnern

Die endgültige Fassung des Films fiel den Autoren nicht leicht:

– Im Frühjahr des letzten Jahres haben wir zusammen mit der Journalistin Anna Jaroslawzewa (Fischer) und dem Kameramann Andrej Lalenko entschieden, Videointerviews mit zwei bis drei bekannten Deutschen aus Tomsk aufzunehmen. Im Laufe der Arbeit vergrößerte sich die Liste der Titelhelden auf 15 und wir haben mehr als 30 Stunden Videomaterial aufgenommen. Wir hatten rund zwanzig Varianten des Filmtitels zur Auswahl, haben das Skript zusammengefasst, gestritten und unter Schmerzen nicht nur die Phrasen der Titelhelden geschnitten, sondern die gesamten Handlungsstränge, – erzählt einer der Filmemacher, der Vorsitzende der MOO „Deutsche Jugendvereinigung“ Evgenij Wagner.

„Nur wenige wissen, dass Fischer der Nachname meiner Großmutter ist. Ehrlich gesagt habe ich selbst bis zu einem bestimmten Moment nur wenig Wert darauf gelegt. Weil meine Großmutter nie etwas von der Deportation erzählt hat, haben wir in der Familie kein Deutsch geredet. Aber als ich einen Brief des Urgroßvaters aus der Arbeitsarmee an genau dem Tag gefunden habe, an dem er geschrieben wurde, nur genau 70 Jahre später, wollte ich alles erfahren. Aber ich konnte bereits niemanden mehr fragen…“ merkt Anna Jaroslawzewa an.

Sibirische Geschichten

Die Filmhelden sind Vertreter verschiedener Generationen Russlanddeutscher aus Tomsk. Sie teilen ihre Geschichten und erzählen, wie sie nach Russland gekommen sind.

– Wir haben diesen Film für unsere Altersgenossen aufgenommen, junge Jungs und Mädels mit deutschen Wurzeln, die heute im ganzen Land verteilt leben. Und der Film selbst handelt von uns: jene, die nicht von den schrecklichen Ereignissen in der Geschichte der Russlanddeutschen im 20. Jahrhundert betroffen waren, es aber als ihre Pflicht ansehen, die Geschichte und Kultur ihrer Familie und ihres Volkes zu bewahren, – kommentiert Ewgenij Wagner.

Die Autoren des Films betonen, dass der Streifen für ein breites Publikum gedacht ist und für die Vertreter der verschiedensten Ethnien sowie für jene, interessant sein könnte, die sich für die Geschichte und Gegenwart Russlands interessieren.

– In der alltäglichen Hektik denken wir selten darüber nach, dass die Verwandten, die Großmütter und Großväter, die Eltern uns verlassen könnten. Ja, irgendwann wird das passieren, das Leben ist so eingerichtet. Und wir treffen für uns eine Entscheidung – wir denken nicht daran, wir verdrängen es auf später. Aber dieses „später“ kann jederzeit passieren und plötzlich, schmerzhaft und unwiderruflich einbrechen. Solange dies noch nicht geschehen ist, nehmt ein Diktiergerät, eine Kamera, einen Stift, redet mit euren Verwandten, schreibt die Geschichte eurer Familie und eurer Vorfahren auf. Alles, was heute noch in der Erinnerung der Lebenden ist. Über die Kindheit und die Kindheitserinnerungen, die erste Schulliebe, die Studentenjahre und die Jugend, lustige Geschichten und Fehltritte, aus denen man gelernt hat. Einfach über das Leben und die innere Einstellung dazu. In vielen Jahren werdet ihr euch selbst dafür dankbar sein, dass es euch gelungen ist, dies zu bewahren, – empfiehlt Wagner.

Was zukünftige Pläne betrifft, gibt es bereits Ideen, wie der Film nachbearbeitet werden kann, ebenso haben die Autoren beschlossen, Untertitel auf Deutsch und Englisch vorzubereiten.

Ein Zitat aus dem Film:

Der Präsident des Forschungsinstituts für Mikrochirurgie, Ehrendoktor der Russischen Föderation Wladimir Wagner:

„In meiner Kindheit habe ich es nicht verstanden, warum ich ein Kind zweiter Klasse war? Warum musste ich mich mit allen darum prügeln, um zu beweisen, dass ich kein Faschist sei?“

Vorbereitet von Konstantin Sergeew

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