Sportliches Interesse: wie man einen Champion vorbereitet

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Im Einklang mit einem gesunden Lebensstil und weg kritischen und falschen Bezugspunkten. Wie in Kasachstan und Deutschland aus Kindern Spitzensportler herangezogen werden.

Entgegen der allgemeinen Stereotype unterscheiden sich die Hobbys kasachischer und deutscher Jugendlicher nur leicht. Im Allgemeinen ist die Freizeitgestaltung sowohl hier, als auch dort ähnlich, aber besonderes Augenmerk liegt auf den Sportabteilungen.

Kostanaj

Polina Wolf mit Trainer Ruslan Seksembaev, Kostanay
Polina Wolf mit Trainer Ruslan Seksembaev, Kostanay

Polina Wolf ist acht Jahre alt. Ihre Klassenkameraden nennen sie im Scherz Ronda Rousey. Trotz ihres jungen Alters ist das Mädchen Preisträgerin in Unifight-Wettbewerben, im Zhekpe-Zhek, sowie im Freundschafts-Sparring. Seit fast einem halben Jahr besucht Polina mit großer Freude die Armee-Nahkampfabteilung des Klubs „Temirlan“ in ihrer Heimatstadt Kostanaj und beabsichtigt nicht, sich mit den erreichten Ergebnissen zufrieden zu geben. Mama Nina unterstützt da Hobby ihrer Tochter voll und ganz.

– Alles hat mit meinem ältesten Sohn Aleksandr angefangen. Er war es, der sich von Anfang an für diesen Sport interessiert hat. Aber aufgrund von medizinischen Kontraindikationen wird ihm dringend davon abgeraten, Nahkampfsport zu betreiben, – erzählt Nina Wolf, die Mutter von Polina. – Mein Sohn hat nicht sehr lange trainiert, und ich und Polina waren zu dieser Zeit immer in der Nähe, wir waren beim Training anwesend. Und das Training hat meine Tochter begeistert. Der Trainer Ruslan Zhumabaewitsch hat dann angeboten, es zu versuchen. In weniger als einem Monat konnte sie bereits an Wettbewerben teilnehmen. Wie der Trainer erklärte, ist es wichtig, die Techniken in der Praxis, also bei Wettkämpfen, anzuwenden und nicht nur ins Fitnessstudio zu gehen und zu trainieren.

Ruslan Seksembajew, Leiter und Gründer des Kampfsportklubs „Temirlan“, hat eine beachtliche Erfolgsgeschichte und zahlreiche Meistertitel vorzuweisen. Plus 30 Jahre als Trainer. Einer seiner Schüler ist der Jugend-Europameister im MMA Eduard Keksel. Seit dem Jahr 2021 nimmt der Junge an professionellen Kämpfen, an Turnieren solcher Promoter wie GMC, teil.

– Wenn Eltern mit ihrem Kind in unseren Klub kommen und sich beschweren, dann sagen sie Dinge wie, es sei so unbeholfen, unflexibel, schüchtern, unkommunikativ, zu dick, oder im Gegenteil zu dünn, und fügen dann fragend hinzu: „Wird er es schaffen?“, dann sage ich immer: „Liebe Eltern, es gibt keine hoffnungslosen Kinder, es gibt nur nutzlose Trainer!“ – argumentiert Ruslan Seksembaew. – Jedes Kind ist auf seine Weise talentiert, man muss nur einen Zugang zu ihm finden. Bei einigen dauert es einen Monat, bis sie sich öffnen, bei anderen dauert es ein halbes Jahr oder ein Jahr. Polina ist eine der ersteren: Mir wurde bereits nach ein paar Wochen klar, dass es mit ihr Sinn macht.

Nach den Worten des Trainers ist es zunächst notwendig, die Angst zu beseitigen. Ein Kämpfer – egal ob es ein erwachsener Mann ist, der Jean-Claude Van Damme körperlich überlegen ist, oder ein Mädchen – er muss die Angst vor dem Gegner überwinden. Wer sie nicht überwindet, wird immer den Kürzeren ziehen. Normalerweise sind sich Kinder im Alter von Polina ihrer Angst jedoch nicht bewusst. Und je mehr sie sich bewegen, desto höher liegt ihre Schmerzgrenze. Generell hat Ruslan Zhumabaewitsch einen sehr pedantischen und pragmatischen Ansatz – sein deutsches Blut zeigt seine Wirkung: eine seiner Großmütter mütterlicherseits – Alla Jakowlewna Dorn – war eine Wolgadeutsche.

– Im April 2021 wurde in unserem Land zusammen mit dem Verband des Nationalsports Zhekpe-zhek und der MMA der Verband des Universal-Volkontaktkampfes gegründet. Zum Präsidenten des Gebietes Kostanaj wurde ich ernannt, mit dem Recht, Turniere in unserer Regio abzuhalten – präzisiert Ruslan Seksembaew. – Am 26. Dezember 2021 habe ich eine sehr interessante und spektakuläre Veranstaltung organisiert – das erste republikanische Turnier im universellen Vollkontaktkampf im Gebiet Kostanaj. Auch Polina Wolf hat daran teilgenommen. Sie belegte den zweiten Platz und unterlag ihrer Rivalin mit nur einem Punkt.

Aber schon im Januar 2022 erlangte Polina bei einem Turnier zwischen den Klubs des Verbandes des Universal-Vollkontaktkampfes der Republik Kasachstan den Sieg in zwei Kämpfen, nicht nur gegen ein anderes Mädchen, sondern auch gegen einen Jungen.

– Bei uns im „Temirlan“ gibt es keine Mädchen, sondern nur Kämpfer. Das sage ich allen, insbesondere den Frauen im Selbstverteidigungskurs, – erklärt Ruslan Seksembajew. – Polinas Aussichten sind sehr gut. Das Wichtigste ist, dass die Mama die Leidenschaft für den Sport nicht behindert. Wenn der Trainer mit den Eltern zusammenarbeitet und sie sich gegenseitig zuhören, ergibt dies ein hervorragendes Ergebnis.

Köln

Witalij Kilich stammt ursprünglich aus dem kleinen Städtchen Zhitikar im Gebiet Kostanaj, aber er lebt bereits seit vielen Jahren im deutschen Köln. Seit zehn Jahren ist er als Trainer in dem Klub „S.C. Colonia 06 Köln e.V.“ tätig.

Sportlich kann Witalij 104 Kämpfe und 82 Siege verbuchen. Er ist Kandidat für den Sportmeister, er boxte in der Jugendmannschaft Kasachstans und war zwei Mal Meister der Republik Kasachstan. Der Trainer ist sich sicher: Boxen ist kein Kampf, sondern eine Kunst.

– Muhammed Ali behauptete: „Champions werden nicht im Fitnessstudio geboren. Champions werden durch das geschaffen, was tief in ihrem Inneren steckt: ein Wunsch, ein Traum, eine Vision“. Ist dies Ihrer Meinung nach so, Vitalij?

– Man muss nicht unbedingt ein Champion sein, aber man muss auf jeden Fall menschlich werden. Mann muss sich jeden Tag verbessern und mit sich selbst zufrieden sein. Die Arbeit im Fitnessstudio saugt viel mehr an der Energie und ist intensiver als im Ring. In kurzen drei Minuten im Ring findet eine Selbstdarstellung in Boxhandschuhen statt. Alles ist dort: Charakter, Technik, Taktik, Extremsport… Man muss auch lernen, schnell Entscheidungen zu treffen. Schutz ist einer der wichtigsten menschlichen Reflexe. Beim Boxen arbeitet dieser im Sekundentakt. Wer noch nie in diesem Quadrat gestanden hat, der weiß nicht, was diese zehn Sekunden bedeuten. Manchmal können einem diese Momente wie eine Ewigkeit vorkommen, wenn man schon keine Luft mehr hat und die Hände bis zum Boden hängen… Es ist besser, wenn der Kampf ohne Knockouts, Knockdowns und illegalen Schläge. Man muss richtig und effizient zuschlagen, sonst kommt es zu Verletzungen und Verwarnungen des Schiedsrichters.

– Kann man sich das Boxen selbst beibringen und welche „Altersgrenze“ gilt in diesem Sport?

– Mit dem Boxen fängt man am Besten schon in der Kindheit an. Die Koordination baut sich bis zum 14. Lebensjahr auf. Meine Amateurkarriere beispielsweise begann in der fünften Klasse. Ich habe am Stadtrand in einem fünfstöckigen Haus gewohnt, mit Blick auf die Steppe und auf den Fernsehturm. Und ich habe mich gefragt: schaffe ich es, dort hin zu rennen? Einmal hat meine Lehrerin mich beim Joggen gesehen, sie hat mein Beispiel vor der Klasse präsentiert und mich so zum Weiterlaufen motiviert. Und ein anderes Mal habe ich beim Laufen einen Mann gesehen, der seine Arme nach vorne warf. Er lief und schlug auf einen unsichtbaren Feind ein. Ich habe versucht, es ihm nachzumachen. Und so kam ich nach und nach in den Sportbereich. Aus meiner Sicht ist es nicht möglich, Boxen alleine zu erlernen. Man braucht Trainer und Sparring-Partner. YouTube kann in diesem Fall nicht helfen…

Sergej Bril, Trainingskollege von Witalij Kilich beim „S.C. Colonia 06 Köln e.V.“, ist sich sicher: ohne harte Arbeit sind Erfolge im Boxen nicht zu erreichen. Träume, Motivation und ein starker Wille sind sicherlich wichtig. Aber Boxen ist harte Arbeit. Wenn ein Teenager talentiert, aber faul ist, dann wird ihm auch nichts gelingen. Außerdem braucht es Bewegung. Ohne Bewegung ist ein Kämpfer im Ring ein leichtes, lebendes Ziel.

– Bevor man zu einem Kampf geht, muss man sechs Monate lang hart trainieren. In meiner Jugend – ich habe in Russland gelebt – gab es solche Beschränkungen nicht. Nach ein oder zwei Wochen fand normalerweise das Sparring statt, nach anderthalb Monaten der erste Kampf, – sagt Sergej Bril. – Natürlich verstehe ich jetzt, dass die Kämpfer aufgrund ihres Charakters durchgehalten haben. Damals verstand ich nicht wirklich, wie man boxt, ich musste es lernen… Wie dem auch sei, ich stehe für das richtige, intelligente, technische Boxen – genau so unterrichte ich meine Schüler.

Der älteste Sohn von Sergej Artur ist deutscher Boxer, er wurde 12 Mal Meister in verschiedenen Jugendkategorien. Im Jahr 2010 gewann er den Weltmeistertitel der Junioren und gewann die Olympischen Jugendspiele im Federgewicht. Sergejs jüngerer Sohn, Denis Bril, ist fünfmaliger deutscher Meister.

– Was glauben Sie, Sergej, warum ist Boxen nicht besonders beliebt in Deutschland?

– Es ist eine Frage der Finanzierung. Deutschland ist das Land des Fußballs. Der Fußball ist hier eine Geldfabrik, er wird von professionellen Managern betrieben. Boxen besteht in Deutschland auf freiwilliger Basis und wird nicht staatlich gefördert. Daher gibt es nur wenige gute Trainer, die professionelles Boxen nicht für Geld unterrichten können.

Marina Angaldt

Übersetzung: Philipp Dippl

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