Ewige Wunden in den Herzen der Menschen

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Im Jahr 1941 verloren tausende sowjetisch-deutscher Familien über Nacht ihr Zuhause. Zum Packen bekamen sie ein paar Stunden. Und nicht wenige hatten nicht einmal das. Sie gingen in dem, was sie trugen. Lilija Palij aus Aktobe erinnert sich an die Geschichte ihrer Familie.

Dmitrij Schinkarenko

Am 31. Mai feiert die Familie Palij mit ihren vielen Mitgliedern den Tag des Gedenkens an die Opfer der politischen Repressionen. Für Lilija Edwinowitsch ist dies ein besonderer Tag, denn vor vielen Jahren wurden durch den Willen des Schicksals ihre Großmutter und ihr Großvater aus dem Land vertrieben, welches die Deutschen als ihre zweite Heimat ansahen.

– Bis zum September 1941 lebten die Eltern des Vaters im Kreis Stawropol im Kaukasus. Ich werde die Erzählungen der Großmutter Frieda Schmidt (Gogel) davon nie vergessen, wie sie vertrieben wurden. An einem frühen Septembermorgen kam ein Reiter zu ihnen und befahl allen Familienoberhäuptern , in das Büro zu kommen. Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass alle Deutschen ausgesiedelt werden und dass sie nur acht Kilogramm pro Person mitnehmen durften. Niemand wusste, ob sie für lange weggehen und ob sie überhaupt wieder in die Regionen zurückkehren würden, die zu ihrer Heimat wurden, – erzählt Lilija Palij.

– Das Haus konnten wir nicht abschließen, es war hart, den Haushalt zurückzulassen: die Hühner, die Gänse, das Vieh, aber niemand wagte es, sich dem Befehl zu widersetzen.Die gesamte Familie Schmidt, fünf Menschen, wurde auf einen Lastkahn verladen und ins Meer der Ungewissheit verschickt. Die schweren Bedingungen verkrafteten nicht alle, hunderte starben, und die Leichen wurden einfach ins Meer geworfen…

– Am Ufer gab es keine wirkliche Rast, beinahe sofort ging es in die Waggons, in denen Vieh transportiert wurde. Dort standen die Menschen, sitzen konnte man nicht. Das Essen ging aus, und die einzige Lichtquelle waren kleine Fensterchen im Dach des Waggons. Erst als die Aussiedler in die Kolchose „Sieg“ im Kreis Chobdinsk im Gebiet Aktöbe gebracht wurden, wurde es etwas besser, – erinnert sich meine Gesprächspartnerin an die Erzählungen ihrer Großmutter.

Bereits in frühen Jahren lernten die Kinder des Krieges die Strapazen des Arbeitsalltages kennen – Edwin Schmidt (der Vater von Lilija Palij) war gerade 13 Jahre alt, und arbeitete als Postbote – er brachte die Briefe auf dem Pferd von Dorf zu Dorf.

Im Jahr 1944 wurde die deutsche Familie in eine Sondersiedlung in Orsk im Gebiet Orenburg gebracht, um die Erdölraffinerie Tschkalowsk mit aufzubauen. Hier hat Edwin auch seine große Liebe getroffen – Elsa-Alisa Genrichowna, die aus dem Gebiet Gurjewsk hier her geschickt wurde, wo sie als spätere Arbeitssoldatin Dämme für die Eisenbahn baute.

Wir wurden in Freundlichkeit, Gerechtigkeit und Respekt für die Arbeit erzogen. Unsere Großmutter wurde 89 Jahre alt, der Großvater 92. Wie viele Belastungsproben fielen diesen wunderbaren Menschen zu. Sie hielten allen Strapazen stand, lebten unter unmenschlichen Bedingungen. Welche Narben hinterließ der Krieg in den Herzen und in den Schicksalen der sowjetischen Deutschen! Die Menschen wurden lediglich wegen ihrer Nationalität verfolgt… Fürchterlich und schmerzhaft, und wir, die Nachkommen der unterdrückten Deutschen, werden diese schicksalshaften Lektionen niemals vergessen, – sagt Lilija Palij mit Tränen in den Augen.

Ubersetzung: Philipp Dippl

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