Falsche Scham für die deutsche Sprache

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Занятия по изучению немецкого языка в детском кружке центра встреч с. Розовка.

Die Scham brennt mit glutroten Wangen. Ich berichte offen und ohne Fanatismus.

Wir wollen in einem Land nach Weltstandards leben, aber wir handeln unpragmatisch und kurzsichtig, indem wir das Wichtige und das Notwendige entwurzeln. Ich werde die nutzlose Rhetorik und die diffuse Verallgemeinerung verwerfen, ich möchte klarstellen, dass es um die Lehre der deutschen Sprache als Fremdsprache an den Schulen geht.

Es ist kein Geheimnis: Die Popularität der Sprache von Schiller und Goethe ist in Kasachstan in den letzten Jahren spürbar gesunken. Und dies entgegen der reichen Erfahrung in der Lehre der deutschen Sprache in unserem Land: An den Universitäten existierte vor Jahrzehnten eine entsprechende Fachrichtung, ebenso gab es einen riesigen Grundstock an Lehrmaterialien und umfangreiches qualifiziertes Lehrpersonal. Heute sind im Großen und Ganzen sowohl die Personalressourcen als auch das Wissen verloren gegangen.

– Das ganze Problem rührt daher, dass es nicht genügend Fachkräfte gibt. Wir haben bereits keine Lehrer mehr, die Deutsch unterrichten könnten: Die einen sind in Rente gegangen, andere haben umgeschult, weil der deutschen Sprache nach dem Zusammenbruch der UdSSR schlichtweg keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt wurde. Viele Pädagogen haben ihre Arbeit verloren, – sagt Tansilja Mokrousowa, Deutschlehrerin an der Mittelschule Nr. 39, eine Schule innovativen Typs mit Gymnasialklassen in der Stadt Pawlodar. – Obgleich war Deutsch in unserer Region immer gefragt. Und es ist auch heute beliebt: nicht wenige Menschen lernen im Goethe-Institut oder besuchen die Kurse der Regionalgesellschaft der Deutschen „Wiedergeburt“ Pawlodar (POON). Aber in den Schulen ist die Situation natürlich beklagenswert… Was unsere Bildungseinrichtungen betrifft, bei uns wird Deutsch ab der ersten Klasse gelehrt. Leider wurde uns in diesem Jahr die Erlaubnis zum Start der ersten Deutschklasse aus irgend einem Grund nicht erteilt… Aber wir haben ein wunderbares Arbeitszimmer, Deutschland beschafft Lehrbücher für uns, die Kinder sind hochmotiviert, die Sprache zu lernen. Unsere Schüler fahren zum Studium nach Europa… Wir arbeiten mit den Verlagen Klett und Hueber zusammen – wir erhalten von ihnen zusätzliche Lehrbücher.

In Pawlodar wird neben der Mittelschule Nr. 39 Deutsch auch noch an der Nazarbayev Intellectual School, an der allgemeinbildenden Mittelschule Nr. 36 mit ökologischer Ausrichtung, sowie als zweite Fremdsprache am Gymnasium Nr. 3 für begabte Kinder unterrichtet. Dabei sind die Schulen Nr. 36 und Nr. 39 zwei von zehn einzigartigen PASCH-Schulen in Kasachstan, die mit Deutschland eng zusammenarbeiten (Insgesamt gibt es weltweit 1500 solcher Schulen).

Und das ist im Prinzip alles.

– Die deutsche Sprache wird tatsächlich in Pawlodar nur in einigen wenigen Schulen unterrichtet, aber dieses Fach könnte in großer Anzahl in den Bildungseinrichtungen eingeführt werden. Zumindest als zweite Fremdsprache. Ein Großteil der Absolventen würde sich vielleicht darüber freuen, in die Fakultät für deutsche Sprache am pädagogischen Institut Kokschetau einzutreten, aber sie sehen keine Perspektiven. Dies ist sehr bedauerlich, weil es Möglichkeiten gibt, die Situation zu verändern, – erklärt Tansilja Mokrousowa. – Alle haben sich beeilt, Englisch zu lernen, aber die Chancen mit Deutsch sind um einiges größer: Es ist die am weitesten verbreitete Sprache in Europa und eine der führenden Kommunikationssprachen der Welt.

Was das benachbarte Russland angeht, so übersteigt die Anzahl derer, die die Sprache von Schiller und Goethe lernen (Schüler, Studenten usw.), laut statistischen Daten die Marke von zwei Millionen Menschen und und nimmt tendenziell zu. In Kasachstan ist diesbezüglich alles hoffnungslos.

– Noch vor zwei Jahren war Deutsch obligatorische vierte und zweite Fremdsprache in unseren Bildungseinrichtungen, das heißt, neben Französisch, Koreanisch und Chinesisch konnten die Kinder deutschen Sprachunterricht wählen. Unter den Voraussetzungen des Fernunterrichts haben die Schulkinder heute die Aussicht, überhaupt nicht mehr zum Unterricht zu kommen. Das Erlernen der deutschen Sprache besitzt keinen empfehlenden Charakter mehr, – es ist nur noch wie in einem Lernkreis, der AUF INITIATIVE DER KINDER SELBST organisiert wurde, – sagt Walentina Kos, Lehrerin für Deutsch und Englisch an der Nazarbayev Intellectual School in der Stadt Pawlodar. – Diejenigen, die behaupten, die deutsche Sprache sei in Vergessenheit geraten und in den Hintergrund gedrängt worden, haben recht.

Und mit jedem Jahr wird die Situation bedauerlicher, nicht nur in unserer Region.

Korlan Demeulowa, Deutschlehrerin an der Mittelschule Nr. 36 mit ökologischer Ausrichtung in der Stadt Pawlodar, stimmt Walentina Kos zu.

– Aufgrund der Tatsache, dass in den letzten Jahren dem Studium gerade der englischen Sprache große Aufmerksamkeit gewidmet wurde, wurden die Lehrer der Sprache von Schiller und Goethe mit ihren Problemen alleine gelassen und mussten sie leider alleine lösen, – merkt Korlan Demeuowa an. – Unsere Schule nimmt seit 2008 an dem internationalen Projekt PASCH: Partnerschulen der Zukunft teil. Deshalb ist das Interesse an der deutschen Sprache von Seiten der Schüler riesig – sie ist sehr gefragt. Beispielsweise lernen in diesem Jahr an unserer Schule 222 Schüler Deutsch: 41 Personen als erste Fremdsprache und 181 als zweite Fremdsprache in Spezialkursen und Lernzirkeln. In der Grundschule gibt es ebenfalls Sprachzirkel, in denen die Kinder Deutsch lernen.

Zwischenzeitliche aber haben sich zahlreiche Deutschlehrer mit beträchtlicher pädagogischer Erfahrung vorübergehend als Kosmetiker, Verkäufer oder im besten Falle als Lehrer für andere Schulfächer neu qualifiziert, in der Erwartung, dass sich die Atmosphäre allmählich ändert.

– Ursprünglich habe ich ein Studium als Übersetzerin abgeschlossen, ich bin aber zum Unterrichten in die Schule gegangen. Zehn Jahre lang habe ich Deutschunterricht gegeben, und anschließend, als es nur noch eine Fremdsprache gab, musste ich auf das Lehramt für Englisch umschulen, – teilt Wilimina Gerzen, Deutschlehrerin in der Regionalgesellschaft der Deutschen „Wiedergeburt“ Pawlodar im Dorf Olgino ihre Geschichte mit. Sie fügt hinzu: – Deutsch ist faktisch von den Wurzen an aus dem Schulprogramm herausgerissen worden – und das kann nicht ohne Verdruss geschehen.

Tatjana Tkatsch, Deutschlehrerin aus dem Dorf Lugansk im Gebiet Pawlodar, unterstützt Wilimina Gerzen. Sie hat 40 Jahre Unterrichtserfahrung hinter sich. Tatjana ist aufgrund ihrer eigenen Erfahrung der Meinung, dass die Sprache von Schiller und Goethe unbedingt an die Schulen zurückkehren muss. Trotz der Tatsache, dass heute Englisch bevorzugt wird, verliert Deutsch unter den Schulkindern noch immer nicht seine Popularität. Im Gegenteil – es ist mehr und mehr gefragt, nicht nur als Fremdsprache, sondern auch als Muttersprache.

– Dank der Bemühungen und der Arbeit der Regionalgesellschaft der Deutschen „Wiedergeburt“ Pawlodar in den Grundschulklassen der Region Pawlodar gibt es wieder Deutschunterricht. So gibt es heute in dem Dorf Lugansk zwei Deutschgruppen für Erwachsene und für Kinder. Die Jungs und Mädels nehmen ebenso mit großer Freude an den Sommersprachlagern teil, in welchem sie sich mit einem Sprachassistenden aus Deutschland, einem deutschen Muttersprachler, unterhalten können. Schließlich ist Deutsch ein großes kulturelles Erbe des Planeten! – ruft Tatjana Tkatsch aus. – Gerade die Deutschkenntnisse halfen vielen Absolventen unserer Schule, eine gute Arbeitsstelle zu finden und sich ein gutes Leben aufzubauen.

Nach Informationen der Regionalgesellschaft der Deutschen „Wiedergeburt“ Pawlodar existieren heute in der Region 21 Deutschzirkel für Kinder, 10 von ihnen im Regionalzentrum und 11 in der Region. Kursgruppen für Erwachsene gibt es 33, 14 davon sind in Pawlodar tätig und die übrigen in der Region.

– Viele Kinder unterschiedlicher Altersgruppen kommen zu uns, dabei lernt ein Großteil der Jungs und Mädels in den Grundschulklassen, – gerade aus der Mittelschule Nr. 39, in der Deutsch unterrichtet wird, kommen viele, – sagt Natalja Kolotowa, Deutschlehrerin, Kuratorin und Methodistin in den Kinderlernzirkeln der Regionalgesellschaft der Deutschen „Wiedergeburt“ Pawlodar. – Die Schüler besuchen unsere Sprachzirkel mit verschiedenen Zielen: Die einen wollen ihre Muttersprache beherrschen, da sie der Nationalität nach Deutsche sind oder deutsche Wurzeln besitzen; andere lernen Deutsch, weil sie sich schlicht dafür interessieren – unter diesen sind nicht wenige Kinder mit kasachischer Nationalität; wieder andere wollen ihre Kenntnisse vergrößern, sie wollen ihr Sprachniveau verbessern, um in der Zukunft ihren Beruf mit der deutschen Sprache zu verbinden oder nach Europa und in die deutschsprachigen Länder zum Studium zu gehen. 80% der Teilnehmer unserer Gruppen sind deutsche Kinder und haben deutsche Wurzeln, die übrigen sind anderer Nationalität.

Welche Fremdsprache sollte den Schulkindern nun beigebracht werden, um nicht nach einigen Jahrzehnten ohne Arbeit dazustehen? Englisch? Angesichts der hohen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft keineswegs!

– Wir lieben die deutsche Sprache. Sie ist sehr interessant und überhaupt nicht schwer, – wiederholen sich Eskender und Adel Murakaj, Bruder und Schwester, sowie Schüler der Mittelschule Nr. 39, gegenseitig. Adel war schon einige Male in Deutschland und ist sich sicher, dass es ihr in ihrem weiteren Leben helfen wird, die Sprache zu kennen, auf der halb Europa spricht.

Ihr Freund Tlektes Dinmuchammed lernt seit drei Jahren Deutsch und beabsichtigt, das auch weiterhin zu tun, weil Deutsch in Pawlodar im Trend liegt.

– Deutschland ist Weltmarktführer in einer Reihe von Industrie- und Technologiebereichen. Es ist ein europäischer Staat mit einer sich dynamisch entwickelnden Wirtschaft und nach den USA das zweitbeliebteste Einwanderungsland, – formuliert Tlektes seine Gedanken klar und deutlich. – Deutschkenntnisse sind in dieser modernen Welt sehr vorteilhaft.

Rustam Tursemkanow und Zulan Unanjan, Schüler der Mittelschule Nr. 36 in Pawlodar, geben zu, dass sie ebenfalls beabsichtigen, ihre zukünftigen beruflichen Aktivitäten mit Deutschland zu verknüpfen, deshalb ist die deutsche Sprache besonders wichtig für sie.

– Ich interessiere mich für die deutsche Kultur, Geschichte und Sprache nicht nur, weil ich deutsche Wurzeln besitze, denen ich übrigens immer näher kommen wollte. Aber auch, weil die deutsche Sprache eine Türe zum Gebäude der reichsten Weltkultur ist, – sagt Daniil Zabelin, der am Lyzeum Nr. 8 für begabte Kinder in Pawlodar studiert. – Anfangs habe ich versucht, mir die Sprache selbst anzueignen, aber bald kam ich zum deutschen Kulturzentrum. Und ich habe es nicht bereut: Das Erlernen der Sprache verlief viel schneller und produktiver.

Председатель Попечительского совета ОФ «Возрождение» Альберт Рау и министр образования и науки РК Ерлан Сагадиев подписали Меморандум о сотрудничестве по поддержке немецкого языка. Астана, 2018.
Der Vorsitzende des Kuratoriums der gesellschaftlichen Stiftung „Wiedergeburt“ Albert Rau und der Minister für Bildung und Wissenschaft der Republik Kasachstan Erlan Sagadiew unterzeichneten ein Memorandum über die Zusammenarbeit zur Förderung der deutschen Sprache. Astana 2018.

Anscheinend erfordert die Zeit eine Veränderung: Die Einführung einer zweiten Fremdsprache in den Schulen ist wichtig und notwendig. Doch hier benötigt es massive staatliche Unterstützung und selbstverständlich den Wunsch der Eltern: Deren Ansuchen, von denen es viele geben wird, können die Bildungsbehörden nur schwerlich ignorieren. Die ethnischen Deutschen sollten das Recht haben, sich für ihre Muttersprache zu entscheiden.

– Der Eifer derer, die in der Bildung beschäftigt sind, die die Dreisprachigkeit auf ihre Weise verstanden haben, hat eine gewisse Rolle dabei gespielt, dass es in den Schulen heute praktisch kein Deutsch, Französisch oder andere Fremdsprachen gibt, – erklärt Olga Litniewskaja, stellvertretende Vorsitzende der Regionalgesellschaft der Deutschen „Wiedergeburt“ Pawlodar. – Albert Pawlowitsch Rau, Abgeordneter der Mazhilis des Parlaments der Republik Kasachstan und Vorsitzender des Kuratoriums der landesweiten gesellschaftlichen Stiftung „Vereinigung der Deutschen Kasachstans „Wiedergeburt“, rief seinerzeit die Regionalgesellschaften der Deutschen und jeden einzelnen ethnischen Deutschen beharrlich dazu auf, die deutsche Sprache zurück in die Schulen und in die Familien zu bringen. Nach einer ziemlich langen Zeit gelang es, den Terminus „Fremdsprachen“ anstatt von „englische Sprache“ in den Bildungsstandard aufzunehmen, was bedeutete, dass die Schüler ein Recht auf die Wahl haben, Englisch, Deutsch, Französisch oder irgend eine andere Fremdsprache zu lernen. Viele haben diese Nachricht als einen kleinen Sieg empfunden. Im Ministerium für Bildung und Wissenschaft erklärte man, alles würde von der Anzahl derer abhängen, die Deutsch lernen wollen. Aber hierfür müssen die Regionalgesellschaften mit den Eltern der Erstklässler zusammenarbeiten. Ich wiederhole es, dazu hat Albert Pawlowitsch wiederholt aufgerufen, hat wiederholt darum gebeten, hat darauf aufmerksam gemacht. Wir sind nicht ausreichend aktiv genug in der Arbeit zur Popularisierung der deutschen Sprache, anscheinen wissen wir nicht, wie das geht… Solange nicht jeder Deutsche zu dem Verständnis gelangt, dass die Kenntnis der Muttersprache ein wichtiger, entscheidender Faktor für das Bewusstwerden der eigenen Identität und ethnischen Zugehörigkeit ist, werden wir die deutsche Sprache nicht in die Schulen zurückbekommen, und wäre es wenigstens für die ethischen Deutschen. In Pawlodar leben rund 9000 Deutsche, und in der Region 21000. Gibt es denn wirklich unter den Erstklässlern und Fünftklässlern (Klassen, in denen der Unterricht einer Fremdsprache beginnt) niemanden, der Deutsch, die beliebteste Sprache in Europa, als Fremdsprache lernen will? Selbst in der Mittelschule Nr. 39, in der es viele Jahre lang Deutschunterricht ab der ersten Klasse gab, haben sich in diesem Jahr keine Interessenten gefunden, die die Sprache von Schiller und Goethe erfassen möchten. Wer ist daran Schuld? Wir alle zusammen: Die Familie, in der es die Muttersprache nicht mehr gibt, die Lehrer, die Regionalgesellschaften, die keine Reklame machen (Entschuldigung für diesen Ausdruck), die nicht zum Deutschlernen an den Schulen auffordern, die wenig Informationen über die Möglichkeiten zum Deutschlernen bereitstellen…

Ob die ethnischen Deutschen Kasachstans bald aufhören werden, Deutsch zu sprechen, hängt von ihnen selbst ab. Der große Knall ertönte bereits. Es ist Zeit, dass die Regionalvereinigungen zusammenrücken, aktiver werden und beharrlich das bestehende Problem zusammen mit dem Staat und der Gesellschaft lösen.

Marina Angaldt

Übersetzung: Philipp Dippl

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