Kultur spielend leicht kennenlernen

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Michail Wiktorowitsch Tejfel ist der Präsident des Verbandes des Tischspielsports der Stadt Almaty,  Schiedsrichter auf überregionaler Ebene im Tischspielsport der Russischen Föderation und Deutscher väterlicherseits. Sein Hobby seit der Kindheit ist der Radiofunkverkehr. Sein Hobby hat er zum Beruf gemacht und so ist er bereits seit acht Jahren Generaldirektor der TOO „RadioTelecommunicationCompany“, welche die Belieferung von professioneller Radiofunkausrüstung und die Telekommunikation führender Unternehmen in Japan, China und Russland bereitstellt.

– Michail Wiktorowitsch, erzählen Sie mir ein bisschen was über sich selbst.

 – Seit meiner Kindheit war mein Hobby die Funktechnik. Schon in der 7. oder 8, Klasse habe ich angefangen, Sachen zu löten und zusammenzubauen. Zu dieser Zeit habe ich einen der bekanntesten Funkfan Kasachstans kennengelernt – Gennadi Chonin. Mich hat alles interessiert, was mit der Welt der Radiotechnik zusammenhängt, in meiner Freizeit habe ich Radioempfänger und Funksender gebaut, habe mit verschiedenen Antennen experimentiert, an Wettbewerben teilgenommen und in allen Einzelheiten sämtliche Details in diesem Bereich studiert.

Dieses Hobby hat mich mein ganzes Leben begleitet, lediglich die Ausstattung und die technischen Möglichkeiten haben sich geändert. So bin ich trotz meiner Sehschwäche mein Hobby mit dem Traum von der Luftfahrt vereint und bin auf das Institut für staatliche Luftfahrtingenieure nach Riga in die Fakultät für radioelektronische Ausrüstung für Flughäfen gegangen. In unserem Institut gab es eine gemeinschaftliche Amateurradiostation, wo wir unsere erlernten Kenntnisse in der Praxis konnten. Nach fast sechs Jahren der Ausbildung habe ich den sehnlichst gewünschten Fachberuf erlangt – Funkgenieur. In meiner Kompetenz lag alles, was mit den Landesystemen, mit Radar und der Funknavigation am Flughafen zusammenhing.

Ich habe im vierten Lehrjahr, im Jahr 1984, geheiratet, und noch dort in Riga wurde unser Sohn Sergej geboren. Im Jahr 1987 kam ich durch Zuteilung in das vereinte Luftgeschwader Uralsk, wo ich drei Jahre als leitender Ingenieur MWL (lokale Luftlinien) arbeitete und eine kolossale Erfahrung erlangte.

Der Funk ist für mich Eintauchen in einen Raum, der sich von unserem Leben völlig unterscheidet. Mit Hilfe von Radiowellen kann man mit jedem beliebigen Land auf unserer Erde in Kontakt treten,  man braucht dazu lediglich eine Funkstation und eine Antenne … keinerlei Drähte. Außerdem ist es für mich ein Sport. Ich nehme regelmäßig an verschiedenen Wettkämpfen teil: Ich habe eine goldene und vier Bronzemedaillen in Radiofunkmeisterschaften der Republik Kasachstan gewonnen, einige habe ich in internationalen Wettkämpfen erlangt.

 – Was hat Sie dazu motiviert, sich mit dem Erlernen und der Herstellung von Tischspielen zu beschäftigen? Sind die denn populär?

–  Ich habe diese Spiele in Lettland kennengelernt. Vor dem ersten Semester sind wir in eine Kolchose geschickt worden, um Kartoffeln zu ernten. Aus der ganzen Union kamen fremde Kerle, die sich langsam gegenseitig kennenlernten, so entstanden jahrzehntelange Freundschaften. Interessanterweise war kein einziger Lette unter ihnen. Wir wurden im örtlichen Haus der Kultur untergebracht. Vor der großen Leinwand des Kinos standen unsere Betten, irgendwo dort sah ich diesen ungewöhnlichen Tisch: Ein Meter auf ein Meter, vier Löcher und Flache Spielsteine. Das war „Novuss“, ein lettisches Spiel, welches im Jahr 1925 als Sport anerkannt wurde. Es kam ursprünglich aus Indien mit dem Namen „Karrum“, im Spielverlauf mussten die Teilnehmer die Spielscheiben mit schwupps in die Löcher schießen. Seemänner haben den Tisch vergrößert, Billardstöcke hinzugefügt und als Resultat „Novuss“ erhalten. Das Spiel wird auch oft „Seemannsbillard“ wegen den flachen Scheiben anstatt runder Kugeln, die sich bei starkem Seegang nicht wegbewegen, genannt.

In den Jahren 1981 bis 1987 erlebte das Spiel den Höhepunkt seiner Popularität. „Novuss“ konnte man überall finden, so wie die Tischtennisplatte in meiner Heimat Kasachstan. Die Regeln waren wirklich einfach, heute füllen die Nuancen und Feinheiten des Spielverlaufs 24 Seiten. Bei der Rückkehr nach Kasachstan geriet das Spiel in Vergessenheit, und erst im Jahr 2004 habe ich den Hausnachbarn über mein früheres Hobby erzählt. Was war ich überrascht, als mir meine Kinder vor ein paar Jahren zum Geburtstag genau dieses Spiel aus meiner Studentenzeit schenkten. So habe ich dank der Unterstützung meiner Familie mein Interesse zu dem Spiel neu entwickelt, habe den Präsidenten des „Novuss“-Verbandes in Sankt Petersburg kennengelernt. Er hat mir die Regeln geschickt, und im verlauf des Gesprächs entfachte in uns die Idee, das Spiel in Kasachstan bekannt zu machen. Zusammen starteten wir die Herstellung und brachten 19 Spieltische verschiedener Spiele nach Kasachstan. Das Interesse war riesig, etwas neues begeistert doch immer. Sowohl Kinder als auch Erwachsene vergessen ihre Telefone und Gadgets. Die Spiele garantieren lebendige Diskussionen und positive Eindrücke.

– Ihre Familienschöpfung – der Kinderspielclub „Balalaroom“. Wie hat alles angefangen?

 – Ich war hingerissen von der Idee, die Benutzung von Smartphones zu minimieren und familiäre Werte zurückzubringen, wir haben uns dazu entschlossen, an dem Projekt zur Unterstützung junger Unternehmer „Bau dein Business auf“ der Stiftung „Sabi“ teilzunehmen. Die Bewerbung hat mein ältester Sohn Sergej eingereicht. Zuerst kam unser Projekt unter die acht Finalisten, und wir haben eine Förderung erhalten – 20.000 Dollar zur Entwicklung des Geschäfts.

Alle haben sich zu Tode geschuftet: wir haben eine Halle gemietet, Ausrüstung hergeschafft, gelernt, die Spiele der Völker der Welt herzustellen und dies angestellten Handwerkern beigebracht. Mit der Kraft des ganzen Teams haben wir 40 Spieltische hergestellt und uns dazu entschieden, den Kinderspielclub „Balalaroom“ zu eröffnen. Wir haben eine geeignete Räumlichkeit gefunden und angefangen, uns zu entfalten, wir haben Wohltätigkeitsaktionen veranstaltet. Mehr und mehr Besucher kamen, unter ihnen auch Kinder mit Einschränkungen.

Wir haben alles kostenlos gestaltet, aber die Miete und andere Ausgaben haben uns dazu gezwungen, zum Kommerz zurückzukehren. Wir haben verschiedene Varianten durchprobiert und uns dazu entschieden, eine ausländische Praxis zu übernehmen – „Paywhatyouwant“ („Bezahle soviel du willst“). Schritt für Schritt kam das Geschäft in Gang, wir haben angefangen, Feste und Geburtstage zu feiern. Mann musste sich vorher anmelden. Und plötzlich kam es wie ein Donnerschlag aus dem Himmel: „Das Gebäude ist verkauft“. Also haben wir alles, was dort war, nach Hause geschafft und die Leute entlassen…

– Wie bekannt ist, betreiben Sie wohltätige Projekte…

. Als wir alle Spiele abgeholt haben, blieb eine Frage – wohin können wir sie bringen? Die Kinder mit Einschränkungen haben mit großem Vergnügen bei uns gespielt, die Übungen haben ihnen Freude gebracht und hatten einen positiven Einfluss auf ihr Wohlbefinden. Also haben wir entschieden, die Spiele an Kinderinternate und Behindertenheime zu geben.

Im Moment arbeite ich mit den Stiftungen „ehrenamtliche Gesellschaft „Barmherzigkeit“ (DOM), „Autismus besiegen“, mit Internaten für Taube und für Kinder mit Sprachstörungen und Störungen des Bewegungsapparates, sowie mit dem Zentrum „RUCh“. Zwei bis drei Mal die Woche gebe ich Unterricht. Mir gefällt die wohltätige Arbeit, besonders motivieren mich die Reaktionen in Form von Lächeln und Erfolgen meiner Zöglinge, für die das, was sie jetzt schaffen, bis dahin unmöglich erschien.

– Ihre Tätigkeit bringt den Kindern mit Einschränkungen nicht nur Freude, sondern spürbare Nutzen. Gibt es denn konkrete Beispiele ihrer Genesung?

 – Ich bin kein Spezialist vom medizinischen Standpunkt aus, aber an meine Beobachtungen anknüpfend kann ich sagen, dass es Erfolge gibt. Als ich gerade erst kam, konnten die Kinder die Spielsteine nicht nehmen, jetzt können sie sie festhalten und ins Ziel treffen. Sie haben gelernt, die Punkte zu zählen, was sie ebenfalls früher nicht konnten. Das Spiel motiviert die Jugendlichen.

Die Kinder mit einer Verletzung des Bewegungsapparates, die nicht die physischen Möglichkeiten zum spielen haben, versuchen, den Billardschläger zu nehmen und zu spielen zu beginnen, und ich helfe ihnen dabei, passe das Spiel an die konkreten Voraussetzungen an. So hat sich beispielsweise ein Kind mit nur einem Arm für das Spiel „Novuss“ interessiert, aber für das Spiel braucht man leider den zweiten, den stützenden Arm. Wir haben versucht, einen Lösungsweg zu finden und haben uns so etwas wie eine Klammer ausgedacht, die man wie eine Stütze verwenden kann.

Ich führe immer den Fall als Beispiel an, als sich auf einer Ausstellung unserer Spiele in einem der Kinderzentren ein Mädchen mit Zerebralparese für ein Spiel interessierte, sie stand auf und ging 5 oder 7 Meter, zur großen Überraschung und Begeisterung der Mutter… So eine große Motivation kommt in den Kindern auf, wenn sie solche Spiele sehen.

– Sie haben mit einem Spiel aus dem fernen Lettland angefangen, jetzt begeistern Sie mit Tischspielen der Völker der Welt. Welches Potential besitzt die deutsche Ethnie in der Entwicklung dieser Bewegung, sehen sie Perspektiven zu einer Zusammenarbeit?

– Wir haben Spiele aus Holland, Israel, Kanada, den Vereinigten Staaten von Amerika, Italien und Frankreich erlernt und nachgebildet. Die größte Anzahl an für uns interessanten Vorbildern haben wir in England gefunden, so sehr wir uns allerdings bemüht haben, solche Spiele in Deutschland zu finden, waren unsere Versuche nicht von Erfolg gekrönt. Es gab leider niemanden, der mir die Traditionen der deutschen Ethnie vermitteln konnte, aber wir wären sehr glücklich und dankbar über jegliche Information über großflächige deutsche Spiele und würden mit Freude ihre Entwicklung und Verbreitung in Kasachstan übernehmen. Denn auf welche Weise kann man die Kultur eines Landes kennenlernen? Ohne Zweifel durch ein Spiel!

Interview: Anastasija Koroljewa

Übersetzung: Philipp Dippl

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