Jakob Gering

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„Heute glaube ich, dass ich damals den richtigen Weg gewählt habe. Ich habe mich nicht mit Klenigkeiten abgegeben, sondern an einem großen und wichtigen Werk geschafft, und muss mich, so glaube ich, für die gelebten Jahre nicht schämen. Diesen von mir gewählten Weg bin ich unbeirrt gegangen und will jetzt auch meine Kinder so erziehen, wie mich meine Eltern, meine Lehrmeister, ja das Leben selbst erzogen haben…“

„Unter einer solchen Führungspersönlichkeit wie Jakob Hermanowitsch Gering, ein Held der Arbeit, sind auch die Menschen Helden. Genau so muss man wirtschaften. Und genau so muss man leben.“ D. A. Kunajew, Erster Sekretär des ZK der KPdSU Kasachstans (1972).

Als Jakob Gering mit 23 Jahren zum Veterinärtechniker bestimmt und nach drei Jahren zum Vorsitzenden der Kolchose gewählt wurde, hatte er kaum mehr als nur die bittere Erfahrung der unvorstellbar schweren, fast zwanzig durchgestandenen Jahre seines jungen Lebens hinter sich. Und in rund zwanzig Jahren erschuf dieser rastlose Enthusiast zusammen mit seinen treuen Dorfgenossen sein „Atlantis“ – gleichsam aus purem Nichts. Als Verbannter, der während des Krieges aus dem Kaukasus nach Kasachstan deportiert worden war, fand er hier seine zweite Heimat.

Jakob Gering wurde am 29. Februar 1932 geboren. Seine aus Süddeutschland eingewanderten Vorfahren ließen sich Ende des 19. Jahrhunderts in Transkaukasien nieder, als Jakob Gering senior (sein Großvater), ein bedeutender Bauingenieur, die Einladung, in einer der russischen Ölfirmen zu arbeiten, annahm, und mit seiner Familie nach Tiflis zog.

Ab 1946 ging Jakob zur Schule. 1949 wurde er auf Anordnung des Kriegskommissariats auf eine FSU (Fabrikfachschule) nach Karaganda geschickt, wo er später in einem Kohlebergwerk arbeitete. Bei einem Unfall wurde Jakob von einer eingestürzten oberen Gesteinsschicht verschüttet. Zwei Jahre lang blieb er ans Krankenbett gefesselt, und es bestand die ernste Gefahr, dass er zum Invaliden werden würde. Doch dank seiner Willenskraft und dem großen Wunsch zu leben und zu arbeiten bewältigte der junge Mann die Krankheit.

Nachdem er die veterinärmedizinische Fachschule mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, nahm er als junger Spezialist noch im selben Jahr ein Fernstudium an der Landwirtschaftlichen Hochschule Barnaul auf und fand eine Arbeitsstelle in einem der rückständigsten Agrarbetriebe im Dorf Konstantinowka, Kreis Uspenka, Bezirk Pawlodar. Grasteppen und Salzfelder umgaben das Dorf. Der akute Wassermangel stimmte einen nicht gerade optimistisch.

Selbst nachdem sich der Landwirtschaftsbetrieb in eine blühende Oase mit bewässerten Gemüsegärten, Ackerflächen und kultivierten Weiden verwandelt hatte, auf denen in aller Freiheit die berühmten kasachischen Weißkopfrinder, rassige Pferde und Schafe grasten, darunter sogar eine Herde Kamele, fand Gering für sich und seine Helfer immer neue, nicht weniger wichtige Aufgaben. Er schickte Leute zur Ausbildung nach Pawlodar, bezahlte dafür, und half jungen Fachkräften, auf der Kolchose Fuß zu fassen, indem er ihnen Wohnraum zuteilte und sich um den persönlichen Hof eines jeden Bauern kümmerte.

Die Dörfer Konstantinowka und Rawnopol (ehemals Ebenfeld) verschmolzen nach und nach zu einem, es wurden mehrere Zweigstellen der Kolchose geschaffen. In dem Landwirtschaftsbetrieb „30 Jahre Kasachische SSR“ wurde kein Unterfangen ohne wissenschaftlich fundierte Grundlagenarbeit angepackt. Gering legte darauf großen Wert, betrieb er ja selbst Wissenschaft und verteidigte auch seine Dissertation zur Viehzucht. Seine Diplomarbeit zur Steigerung der Fettmilchproduktion bei Kolchosekühen wurde in wissenschaftlichen Kreisen gewürdigt. Selektion, Samenproduktion, Wasserentnahme aus Bohrbrunnen – all diese Arbeiten wurden in den wissenschaftlichen Labors getestet. Hinter jedem, selbst dem geringsten Ausgangspunkt stand eine streng ökonomische Berechnung.

Für die Entwicklung und Einführung einer progressiven Bewässerungtechnologie mit breitgefächerten Sprinkler-Anlagen wurde die Kolchose mit einem Staatspreis ausgezeichnet. Und der lokale Wasserspeicher, eine Art igenieur-technischer Tiefwasserbau, eine Idee von Jakob Gering, machte seine Kolchose weit über die Grenzen der Republik berühmt. Gering war auch ein Wegbereiter der Errichtung von Entwässerungssystemen zur Verhinderung des Grundwasseranstiegs. Nach einiger Zeit wurde im Agrarbetrieb ein Labor des Forschungszentrums für Bewässerungsmechanisierung eröffnet, was eine Anerkennung der Neuerungen in Konstantinowka durch Spezialisten auf Unionsniveau bedeutete.

Zahlreiche Reisen im In- und Ausland halfen J. Gering bei der Umsetzung vieler Pläne. Mit jedem Jahr erweiterte sich das Netz gegenseitig vorteilhafter Partnerschaften Konstantinowkas mit verschiedenen Unternehmen, Agrarbetrieben und wissenschaftlichen Institutionen. Und das nicht nur in der UdSSR, sondern auch im Ausland.

Gering vergrößerte energisch die Besitztümer seines Landwirtschaftsbetriebes, baute riesige Gewächshäuser am Rand des Bezirkszentrums, ein Netz von Geschäften daselbst, eine Ziegelfabrik und eine Schlammbadeanstalt. Darüber hinaus asphaltierten die Einwohner von Konstantinowka 30.000 Quadratmeter Straßen und Gehwege, verlegten Heizungs- und Wasserleitungen, errichteten ein Stahlbetonwerk, eine Saatgut-Reinigungsanlage, Depots, Lagerhäuser, Werkstätten, Molkereikomplexe, Sägewerke und Duschräume in den Werken. All das neben dem Bau einer Rennbahn, eines Lichtspielbrunnens, eines Kulturparks, der Anlage eines riesigen Gartens mit Blumenbeeten und Grünflächen. Dreihundert Autos passen mit Leichtigkeit in ein großes Parkhaus, und drei Rettungswagen erleichtern das Leben der Dorfbewohner. Der Vorsitzende geizte auch nicht beim Kauf von Felder- und Weidenbewässerungsanlagen, obwohl solche Maschinen verrückt teuer sind.

Enorme Gewinne brachte der Kolchose eine Pelztierfarm. Die Kaninchen, Sumpfbiber, Nerze und Polarfüchse pflanzten sich in den großen Freigehegen prächtig fort. Die wunderschönenen Pelze waren nicht nur im Bezirk gefragt, und das Fleisch einiger Tiere wurde in Kantinen und Restaurants als Diätkost angeboten. Die Spiegelkarpfen, die in großer Menge in künstlichen Gewässern gezüchtet wurden, brachten dem Landwirtschaftsbetrieb ebenfalls hohe Einkünfte. Die Gehege der Entenfarm bezauberten durch einen schneeweißen „Schleier“ aus Vogelfedern. Gutes Einkommen erbrachte auch die Imkerei. Und besonders gut gefiel den Landwirten der örtliche Tierpark!

Man muss hervorheben, dass auf allen Höfen der Kolchose eine außergewöhnliche Ordnung herrschte. Die Ästhetik stand an erster Stelle. Die Besten Designer, Künstler und Architekten wurden hierher eingeladen, und jedwedes Projekt wurde vom Besitzer der berühmten Kolchose eingehend untersucht.

Er hat nicht mit Auszeichnungen für die Gewissenhaftesten und Fleißigsten gegeizt. Im Kulturhaus wurden sogar Täfelchen mit den Namen der besten Arbeiter der Kolchose auf die Rückenlehnen der Stühle genagelt.

Der Zustrom an neuen Bewohnern nahm von Jahr zu Jahr zu. Es kam bereits die Frage auf, ob man Interessierten den Zuzug in die Kolchose „30 Jahre Kasachische SSR“ verweigern sollte. Alle waren neugierig: der Ruhm der kasachstanischen Oase wuchs. Journalisten, hochrangige Beamte, Wissenschaftler mit Weltruf, Schauspieler, Sänger, Kosmonauten – wer war nicht alles in diesem blühenden Landwirtschaftsbetrieb! Der berühmte Vorsitzende wurde mit zahlreichen Ehrenpreisen ausgezeichnet, darunter waren auch die allerhöchsten. Über ihn wurde nicht nur in der Presse geschrieben – er wurde selbst in Büchern zum Helden. Im März 1975 wurde J. G. Gering zum Deputierten des Obersten Sowjets der UdSSR gewählt. Es regnete Angebote, auf eine höhere Position zu wechseln. Aber er wollte sein Heimatdorf nicht verlassen.

Und er war auch stolz auf seine Familie, auf den geliebten Großvater und die Großmutter, auf seinen Vater und seine Mutter, auf die Kinder. Der jüngste, Hermann, schloss die Landwirtschaftliche Hochschule Zelinograd ab und trat in die Fußstapfen seines Vaters. Der Älteste, Viktor, wählte einen anderen Weg: Er kämpft gegen das Verbrechen, seinerzeit war er Abgeordneter des Obersten Rates der Republik. Ewald wurde Arzt. Die Tochter Lora wurde Musikerin. Und die größte Auszeichnung in seinem Leben ist seine Frau Olga. Sie war immer eine Unterstützung für ihren Ehemann. Trotzdem der größte Teil der Arbeit im Haus auf ihren Schultern lag, gelang es ihr, ihre eigenen Kinder großzuziehen und sogar fremde Kinder zu unterrichten: Olga Adamowna arbeitete als Lehrerin.

Mit 52 Jahren starb Jakob Gering. Sein Tod war ein Schock für sehr viele Menschen, für die Republik, für das Land… Solche Menschen wie er haben kein Recht, so früh aus dem Leben zu scheiden! Er war ja noch verhältnismäßig jung. Wie sehr hätte er anderen von Nutzen sein können! Er war voll Feuer. Er brannte für seine Arbeit, kannte praktisch keine Rast. In Kislowodsk, wo von der Kolchose ein Sanatorium gebaut wurde, hat er sich wahrscheinlich nicht mehr als zwei Mal erholt.

Der Verlust war groß – das ganze Land kannte Jakob Gering! Die Büste auf seinem Grab – mit einem Buch in der Hand – spiegelt besonders deutlich das Wichtigste dieses wunderbaren Menschen wider. Er war nicht nur ein Bauer, Leiter, Schöpfer, er war Wissenschaftler, ein tiefer Denker, ein Träumer und Romantiker, der so viele Pläne und Ideen mit sich herumschleppte, und die er leider nicht mehr verwirklichen konnte…

Irina Winter

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