Eine Deutschlehrerin: „Es ist an der Zeit, die Sprache Schillers und Goethes an die Schulen zurückzubringen“

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Laut der letzten Volkszählung hat die Zahl der Deutschen in Kasachstan in den letzten Jahren deutlich zugenommen.

Die Familie Sultangazinov aus Uspenka in der Region Pawlodar ist international. Deutsche, Kasachen und Russen leben in Liebe und Harmonie zusammen. Serik, das Familienoberhaupt, gelernter Pädagoge und hat viele Jahre lang im öffentlichen Dienst gearbeitet. Seine Ehefrau Svetlana – Deutsch- und Mathematiklehrerin. Die Liebe zur Sprache Schillers und Goethe hat sie von ihren Vorfahren, den Wolgadeutschen, geerbt. Nach ihrem Schulabschluss im Jahr 2000 schrieb sie sich für das pädagogische Institut als Deutschlehrerin ein und arbeitete erstmals in ihrem Fachgebiet im Dorf Timirjasewo in der Region Uspensk. Der Unterricht in deutscher Grammatik, Syntax und Wortbildung in der örtlichen Schule und später in der Mittelschule Nr.1 in Uspensk hielt nicht lange an: Die deutsche Sprache wurde bald aus dem Lehrplan gestrichen. Und Svetlana Sultangazinova musste umschulen.

„Ich war eines der vielen Opfer der Bildungsreformen, die dem Deutschunterricht in den allgemeinen Bildungseinrichtungen ein Ende setzten“, erzählt Svetlana Viktorovna. Die Bildungsreform wurde umgesetzt, Deutsch wurde als unnötig bezeichnet und aus den Schulen entfernt und viele Lehrer verloren ihren Arbeitsplatz. Jeder hat überlebt, so gut er konnte: Einige mussten wieder studieren gehen, so wie ich, um einen Abschluss in Mathematik zu machen. Auf dem Land gab es keine andere Arbeit, also habe ich einen zweiten Abschluss gemacht, um an der Schule bleiben zu können. Andere Lehrer kehrten dem Beruf ganz den Rücken und wurden Manager, Verkäufer oder Kellner. Es ist sehr traurig, dass alles so gekommen ist, und die deutsche Sprache verdrängt wurde. Im Jahr 2020 wurde ich eingeladen, im Dorf Uspenka in einer Zweigstelle des regionalen Vereins der Deutschen in Pawlodar ‚Wiedergeburt‘ Deutschkurse zu geben. Um ehrlich zu sein, war ich begeistert – ich hatte wieder die Möglichkeit, in die reiche Welt der deutschen Kultur einzutauchen – und ich stimmte gerne zu, zu unterrichten.“

Laut Svetlana Sultangazinova lehrt sie ihren Töchtern Diana, Elmira und Darina seit klein auf den Respekt vor den nationalen Traditionen und der Kultur der Deutschen, und fördert die Bräuche ihres Volkes. Denn so ist sie selbst erzogen worden.

„Mein Interesse an der deutschen Kultur wurde mir schon in jungen Jahren weitergegeben: die deutsche Denkweise, die deutsche Lebenseinstellung – hart zu arbeiten und alles sauber zu halten – die deutsche Küche… Dies geschah sowohl zu Hause als auch in der Schule“, erinnert sich Svetlana. „Ich hatte eine sehr kompetente, gut erzogene, ausgezeichnete Lehrerin – eine echte Pädagogin: Maria Basenko. In ihrem Unterricht an der Schule in Rawnopolsk im Bezirk Uspensk fühlte ich mich immer als Teil der großen deutschen Kultur – ich konnte das genetische Gedächtnis der früheren Generationen spüren. Das Klassenzimmer war gut ausgestattet und der Unterricht war erstklassig, so dass ich die deutsche Sprache liebte.“

Damit die neuere Generation das Erbe ihrer Vorfahren nicht verliert, müssen wir die deutsche Sprache wieder in die Schulen bringen und so oft wie möglich deutsche Volksfeste feiern“, meint Svetlana Viktorovna. Um so mehr, da die Zahl der Deutschen in Kasachstan laut der letzten Volkszählung in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.

„Ich bin der Meinung, dass Kinder und Jugendliche die Wahl haben sollten, welche Fremdsprache sie in der Schule lernen wollen. Wir leben in einer modernen Welt, man muss mit der Zeit gehen und darf sich nicht nur auf Englisch beschränken“, sagt Svetlana Sultangazinova. „Heute leite ich in unserem Dorf eine Kindersprachgruppe ‚Wir lernen Deutsch‘ im Rahmen der ‚Wiedergeburt‘. Angesichts der ethnischen Vielfalt der Einwohner von Uspenka kommen Kinder verschiedener Nationalitäten in meine Klassen, um Deutsch zu lernen. So kommt es, dass auch in meiner Familie deutsche Traditionen mit russischen und kasachischen verwoben sind. Mein Mann unterstützt meine Faszination für die deutsche Sprache; manchmal wechselt er sogar ein paar Worte mit mir auf Deutsch. Ich wiederum kommuniziere mit ihm auf Kasachisch.“

Wie die Lehrerin zugibt, versucht ihre Familie, alle Feste zu feiern: das katholische Weihnachten, Nauryz oder Ostern. Sie kochen köstliche Strudel, saftige deutsche Kuchen, leckere Baursaki, Shelpek und Schaffleisch. Sie teilen nicht nach Nationen, sondern respektieren die Traditionen und Sprache all ihrer Vorfahren.

Marina Angaldt

Übersetzung: Annabel Rosin

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