Erdenmensch: Nikolaj Miller

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Das Leben der Menschen ist unterschiedlich ausgeformt. Es repräsentiert alles: glückliches, trauriges, aber wenn du irgendwas erreichen willst, bist du immer Herr deines eigenen Schicksals. Auf der Suche nach solchen Menschen bin ich auf das Buch „Meine Lieben“ (Autor: N. Miller) gestoßen, freundlicherweise von Olga Grigorjewa zur Verfügung gestellt, welches von Jurij Pominow vorbereitet und herausgegeben wurde. Das Buch hat mich ergriffen, und umso mehr wollte ich wissen, wie der heute berühmte Getreidebauer aus dem Irtysch-Kreis im Gebiet Pawlodar Nikolaj Aleksandrowitsch Miller, der in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag feierte, heute lebt. Dies ist ein Mensch, der Freude und Leid empfindet, bezwingt und aufblüht, kurz gesagt, er lebt sein unverwechselbar einzigartiges Leben.

Ljudmila Bews

Für Nikolaj Miller ist alles auf der kasachischen Erde heimisch: das Land des Irtysch, wo die Kornfelder bis zum Horizont reichen; die Menschen, unter denen er aufwuchs; die Landwirtschaft, in die es ihn zum Arbeiten geführt hat; und schließlich seine Umgebung.

„Ich habe oft darüber nachgedacht, – sagt er, – warum wird ein Mensch geboren und für was lebt er? Was die Geburt betrifft, sie ist von etwas höherem vorherbestimmt, nicht aber die Verdienste des Menschen, der in der Tatsache geboren wurde, auf der Welt zu erscheinen. Aber wofür und wie man lebt – das entscheidet letztendlich jeder für sich selbst. Es kommt vor, dass ein Mensch, der in einer glücklichen Familie geboren wurde und aufgewachsen ist, ein solch talentfreies Leben führt, dass er sich in den Jahren des Niedergangs an wirklich nichts mehr erinnern kann. Der eine lebt, ohne an irgend etwas zu denken, ein anderer erleidet Schwierigkeiten. Oft kann ein Mensch einfach nicht wissen, was mit ihm passieren könnte (dies ist meinem Vater und meiner Mutter nicht nur einmal passiert, sowie ihren Eltern und wahrscheinlich auch deren Vorfahren…)“.

Nikolaj Aleksandrowitsch selbst stammt von den Saratower Deutschen ab. Sein Großvater Aleksandr Miller und die Großmutter Polina Bil kamen nicht um ein hartes Schicksal herum: Zuerst wurden die Eltern der Großmutter Opfer der allgemeinen Enteignung, und im Jahr 1942 wurden sie zusammen mit sechs Kindern nach Kasachstan deportiert. „Wir können uns heute nur schwer vorstellen, welchen Horror von all dem Geschehenen die Menschen erleben mussten, die über Nacht ihres Elternhauses und ihrer ganzen Habseligkeiten beraubt wurden, und im Winter wer weiß wohin geschickt wurden. Und vor allem, nicht wissend, wofür“, schreibt N. A. Miller in seinem Buch „Meine Lieben“. So waren doch für die sowjetischen Deutschen, die die Sowjetunion als ihre Heimat ansahen, die Feinde ihres Landes auch ihre Feinde… Die Erlasse der 1940er Jahre wurden jedoch schnell und bedingungslos ausgeführt. Und da war der Güterwagen in das Dorf Zhanatan. Wir sind irgendwie durch den Winter gekommen (es war Februar), im Sommer haben wir eine Erdhütte gegraben. Bald verlor die Familie den Ernährer: Aleksandr Miller wurde in die Arbeitsarmee gesendet, um die Eisenbahn in den Ural zu bauen. Und wäre der Großvater im Jahre 1944 nicht ausgemustert worden, hätte die Familie kaum überlebt: allen hing zu dieser Zeit die Haut bis auf die Knochen. Der Großvater von Nikolaj Miller war ein hervorragender Blechschmied und Mähdrescherfahrer. Die örtlichen Kasachen haben Ajran, Kurt und Bauyrsaki zur Arbeit mitgebracht. Die Familie überlebte.

Hier, im Irtysch-Gebiet, haben sich die späteren Eltern von Nikolaj getroffen – Aleksandr Miller (Brigadeleiter der Traktoristen) und Nadezhda Zhurawljowa (Vorarbeiterin der Ackerbauern). Miller erinnert sich: „Der Vater war ein wahrhaftiger Getreidebauer, ein Landmensch“. Das gleiche kann man heute mit Gewissheit über Nikolaj Aleksandrowitsch selbst sagen.

Solange sich Nikolaj erinnern kann, hat sich mit dem Vater eine besondere Beziehung herausgebildet: er hob ihn von den anderen Kindern hervor, er sah in seinem Sohn zweifellos seine eigene Fortsetzung – einen Getreidearbeiter. Und Kolja ging tatsächlich zum Studium auf die technische Fachschule für Mechanisierung und Elektrifizierung der Landwirtschaft Scherbaktinsk – auf den Spuren seines Vaters. Letzterer freute sich sehr über die Wahl seines Sohnes, und als Nikolaj entschied, sein erstes Praktikum in der väterlichen Brigade zu absolvieren, kannte der Stolz von Aleksandr Aleksandrowitsch keine Grenzen.

Schule, technische Fachschule, Verteidigung des Diploms, Armee… Und seit 1976 hängt sein ganzes weiteres Leben zusammen mit der Abaj-Sowchose (vom Chefingenieur bis zum Direktor). Der Weg auf dieser Erde ist auch jener, dass hier in der Familie von Tamara und Nikolaj Miller vier Kinder geboren wurden: Aleksandr, Nikolaj, und die Zwillinge Wladimir und Ewgenij. Nikolaj Aleksandrowitsch scherzt, dass die Geburt der Zwillinge ein Markenzeichen der Millers war. Es gab auch die Periode, als er verstand, dass ihm sein Wissen nicht ausreicht, weshalb er ein Fernstudium an der Industriefachschule Pawlodar abschloss. Er war ständig mit der Selbstbildung beschäftigt und studierte bei Spezialisten – Kandidaten der Wissenschaften.

Es gab Zeiten, als ihn Freunde in die Region Omsk riefen, aber er war entschlossen und fest davon überzeugt, dass sein Heim, seine wichtigste Angelegenheit in Kasachstan liegt, und es nichts besseres gibt, als Getreide auf dieser Erde anzubauen. Er hat auch Deutschland besucht: erstens blieb er von der großen Familie der Miller alleine zurück (alle sind in die historische Heimat zurückgegangen), er wollte mit eigenen Augen sehen, wie die Verwandtschaft sich niederließ; zweitens hat er nicht nur einmal vom Überfluss der Lebensmittel gehört und sich gefragt: „Wie kann das sein? Den Krieg haben wir gewonnen, aber sie leben besser?“; drittens dachte er über sein Schicksal nach und musste eine Wahl treffen. Bis heute schmunzelt er: „Die Reise wurde für zehn Tage geplant, aber schon am vierten Tag zog es mich wieder heim. Leben soll man dort, wo man sich daheim fühlt“.

Im Kreis Irtysch hat es an echten Getreidebauern, an ausgezeichneten Technikern nie gemangelt. Die Dynastie der Millers ist unter ihnen. Wenn die Rede vom Handwerk ist, bezeugt Nikolaj, dass die Familiendynastie die beste Berufsschule ist. Und es ist wirklich so, wer vermittelt die Grundlagen eines Berufs besser, als die Eltern oder nahen Verwandten?

Nikolaj Aleksandrowitsch wird geachtet. Es scheint, das Geheimnis der Autorität unter den Dorfgenossen ist die besondere, die millersche Beziehung zum Landwirtschaftsarbeiter. Und von hier an ist es kein einfaches „Danke für die Arbeit“, sondern gewichtige Geschenke: Autos, Tonbandgeräte, ernsthafte Prämien bis zu 60.000 und noch viel mehr… Miller ist ein leidenschaftlicher Mensch. Er liebt das Risiko, den Erfolg, den Streit, die Diskussionen, wenn dies zum Wohl der Sache ist. Sein Motto ist: „Den anderen ein Stückchen voraus sein!“ Und daafür muss man ein bisschen mehr tun, etwas verbessern, etwas neues wagen, sich vervollkommnen. Und deshalb ist er eine Führungskraft, Träger des Ordens „Құрмет“, Ehrenbürger des Irtysch-Kreises und „Führer des Jahres 2018“.

Seine Lieblingsjahreszeit ist der Sommerbeginn, wenn die Felder von einem sanften, grünen Teppich der ersten Triebe bedeckt sind. Und dann gibt es nichts schöneres und teureres. Solche Momente spenden Kraft, Vertrauen, Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Außerdem liebt er den Spätherbst, wenn die Mähdrescher die letzten Brotrollen einfahren. Und diese letzten Momente der Ernte verleihen Seelenfrieden und Stolz für seine Sache: ein Getreidebauer sein, ein Landmensch. Nikolaj Aleksandrowitsch hat auch die Begabung, ein großartiger Ehemann, guter Vater und wunderbarer Großvater zu sein, der vor kurzem die Hochzeit seiner geliebten Enkelin Tamara und ihrem Auserwählten Pawel gefeiert hat. Denn solange Hochzeiten gefeiert werden, geht das Leben weiter!

Übersetzung: Philipp Dippl

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