Für die Geschichte nach Detmold

Zurück

Ljubow Bajewa, Koordinatorin des Jugendclubs „Freiheit“ in Uralsk, absolvierte ein Praktikum im Museum der Russlanddeutschen in Detmold. Als Ergebnis der Reise bereitete sie eine Präsentation vor – sie stellte den Uralsker Jugendlichen und Senioren die Arbeit des Museums vor und erzählte von ihren Entdeckungen über die Geschichte des Volkes.

„Durch die Arbeit im Museum der Russlanddeutschen habe ich viele Dinge mit anderen Augen gesehen“, sagt Ljubow. „Wir leben unser Leben mit dringenden Sorgen und sind uns oft nicht bewusst, welchen Platz wir in dieser Welt einnehmen, dass hinter uns unsere Vorfahren stehen, deren Leben direkt mit unserem verbunden ist. Wann und wie kamen die Deutschen nach Russland? Was haben sie mitgebracht, wo haben sie sich niedergelassen, warum haben sie ihre Dialekte bewahrt – auf diese Fragen erhielten wir umfassende Antworten.“

Ljubow absolvierte ihr Praktikum im Detmolder Museum zusammen mit Anna Sawizkaja aus Kostanai und Anita Schabalowa aus Almaty. Zuerst gab es Exkursionen, die mehr als einen Tag dauerten, und dann arbeiteten die Mädchen in der Kasse des Museums und halfen bei der Vorbereitung der Ausstellung.

„Wir haben eine erstaunliche Frau kennengelernt, die am Anfang des Museums stand und ihm ihr ganzes Leben gewidmet hat“, so Ljubow Bajewa weiter. „Katharina Neufeld ist Doktorin der Wissenschaften, sie sammelte die ersten Exponate: Sie kommunizierte mit Russlanddeutschen, die Erinnerungsstücke nach Deutschland brachten und die Geschichte ihrer Familien teilen wollten. Von einem Raum wuchs das Museum auf ein zweistöckiges Gebäude an. Die Systematisierung und Lagerung der Exponate ist nach modernen Weltstandards organisiert. Das Museum ist mit den neuesten digitalen Geräten ausgestattet und es ist einfach und schnell, Informationen zu verschiedenen Themen zu erhalten. Hier lernte ich Veröffentlichungen in der DAZ-Zeitung aus den 90er Jahren kennen, verfasst von bekannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Herold Belger, Anatoli Wiese, Alexander Dumler und anderen. Aus den Artikeln erfuhr ich etwas über ihr Leben und die Ereignisse der Deportation. Das Museum zeigt alte Gebrauchsgegenstände und landwirtschaftliche Geräte, die von deutschen Kolonisten erfunden wurden. Die Geschichte wurde lebendig, kam uns näher.“

Das deutsche Volk ist seit langem für seine Ordnungsliebe bekannt, und so sind in den Archiven Listen der Kolonisten erhalten, die im 18. Jahrhundert nach Russland kamen. Uns wurden Bücher des Historikers Igor Plewe gezeigt, der diese Informationen über Jahre hinweg gesammelt hat. Anhand dieser Bücher können moderne Russland- und Kasachstandeutsche ihre Vorfahren finden. Ich gebe ehrlich zu: Ich weiß sehr wenig über meine Großmutter, da sie jung verstorben ist. Aber es hat sich herausgestellt, dass es ausreicht, ihren Nachnamen und den Ort zu kennen, an dem sie vor der Deportation lebte. Es war die Region Saratow, ein Ort namens Gussenbach. So erhielt ich unschätzbare Daten für meine Familie: Unser Vorfahre, Johann Nikolaus Liais, kam 1766 mit dem Schiff Frau Dietricka aus Darmstadt nach Russland und wurde 1767 an die Wolga geschickt. Tatsache ist, dass deutsche Siedler aufgrund des Manifests von Katharina der Großen nach Russland kamen. Sie wurden mit Schiffen nach St. Petersburg transportiert und dann in die Wolgaregion, nach Sibirien, Transkaukasien, in den Ural und in die Ukraine geschickt… Dort ließen sie sich in Kolonien nieder und lebten lange Zeit isoliert, wobei sie ihre Bräuche und Traditionen bewahrten. Es gibt eine Karte über die Ansiedlung der Deutschen, die ich fotografiert und unserer regionalen Vertretung „Wiedergeburt“ gezeigt habe. Sowohl junge als auch ältere Menschen waren sehr interessiert an all diesen Informationen. Einige haben auch nur sehr wenige Informationen über ihre Vorfahren, und gemeinsam werden wir mit Hilfe der Museumsmitarbeiter nach diesen Informationen suchen.

„Der Kurator unserer Reise nach Detmold, Edwin Warkentin, nahm uns zu einer Genealogiekonferenz mit, wo ich den Geschäftsführer des Göttinger Zentrums, Alfred Eisfeld, traf und Kontakte knüpfte. Er setzt seine Forschungen über Russlanddeutsche fort und wird dieses Jahr Kasachstan besuchen. Wenn er nach Uralsk kommt, werden wir uns sehr freuen, ihn zu treffen! Wir werden auch mit dem Museum in Kontakt bleiben“, sagte Ljubow Bajewa am Ende des Gesprächs. „Ich möchte, dass die Deutschen in Uralsk mehr interessante Informationen über die Geschichte des Volkes bekommen. Heute denkt das Museumspersonal über ein Projekt zur Organisation von virtuellen Exkursionen auf seiner Website nach. Ich hoffe, dass es realisiert wird und alle Deutschen in Kasachstan die Exponate des Museums kennenlernen können!“

Swetlana Tomina

Übersetzung: Annabel Rosin

Поделиться ссылкой:

x