Igor Berg: „In der Selbstorganisation gibt es keine zufälligen Menschen…“

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Ein äußerst anständiger und zuverlässiger Mensch, so beschreiben Kollegen Igor Wernerowitsch Berg, der mehr als zwanzig Jahre lang den Hauptstadtverband der Deutschen „Wiedergeburt“ leitete. Letzte Woche trat er als Vorsitzender zurück und machte Platz für eine neue Generation, wie es in der Selbstorganisation heißt, den Vertreter der „Avantgarde“ der Deutschen Kasachstans, Alexander Kail. Im heutigen Interview erzählt Igor Wernerowitsch von seinen Erfahrungen in der Selbstorganisation und von Projekten, die die Rolle und Entwicklung der Deutschen in der Region verändert haben.

Igor Wernerowitsch, was hat Sie vor über 20 Jahren zum Verein der Deutschen der Stadt Astana gebracht?

Ich lernte die Selbstorganisation der Deutschen zum ersten Mal 1996 kennen, als ich beschloss, meinen ältesten Sohn auf das Deutsche Gymnasium zu schicken, das von der Wiedergeburt eröffnet wurde. Es handelte sich um ein kleines, gemütliches Gebäude in einem alten Kindergarten, in dem sich im ersten Stock auch die „Wiedergeburt“ befand. Um an dem Gymnasium lernen zu dürfen, brauchten wir Grundkenntnisse in Deutsch, also hatten wir einen Nachhilfelehrer für unseren Sohn und abends gab es Deutschkurse für Erwachsene. Meine Frau und ich wurden sofort Mitglieder des Verbandes und meldeten uns auch für Kurse an. Wir nahmen an Veranstaltungen teil und unterstützten Feste. Im August 2001 beschloss Nikolai Awgustowisch Eirich, der damals an der Spitze des Vereins stand, aus familiären Gründen, die Organisation zu verlassen, und die Mitglieder des Vorstands boten mir an, die Organisation zu leiten.

Um ehrlich zu sein, war ich damals nicht darauf vorbereitet und erklärte mich bereit, vorübergehend das Amt des Interimsdirektors zu übernehmen, was zur Folge hatte, dass ich 21 Jahre lang im Amt blieb. Da ich damals bereits unternehmerische Erfahrungen gesammelt hatte, verstand ich, dass die Führung eines Unternehmens und die Leitung eines öffentlichen Vereins zwei völlig verschiedene Konzepte sind; bei der „Wiedergeburt“ arbeiten keine zufälligen Leute, und wenn es welche gibt, bleiben sie nicht lange; die Arbeit mit Menschen ist nicht einfach und verantwortungsvoll.

Im Laufe der Jahre wurden tausende von Projekten durchgeführt. Welche sind Ihre wertvollsten und warum?

Das allererste und wichtigste Projekt zu Beginn meiner Tätigkeit war der Neubau eines deutschen Gymnasiums für 600 Schüler. Diese Idee stammt von der ersten Schulleiterin Alla Petrowna Barbe und dem Vorsitzenden Nikolai Awgustowitsch Eirich. 2004 haben wir sie umgesetzt. Der Vorsitzende des Verbandes der Deutschen in Kasachstan Alexander Fedorowitsch Dededer, der Direktor der Aktionärsgesellschaft „Akmola-Phoenix“ Ivan Ivanowitsch Scharf, der deutsche Botschafter in Kasachstan Andreas Kerting und die Senatoren Viktor Eduardowitsch Kist und Jewgenij Iosifowitsch Aman haben das Projekt ebenfalls aktiv gefördert. Besonders erwähnen möchten wir Jewgenij Amann, dem es zu verdanken ist, dass das neue Gebäude des Gymnasiums im Jahr 2004 gebaut werden konnte.

Ich erinnere mich auch an das Projekt für die Leiter der regionalen Gesellschaften ganz am Anfang meiner Arbeit im Jahr 2001. Die Schulung fand auf der Grundlage der Karaganda-Gesellschaft unter der Leitung von Viktor Eduardowitsch Kist statt, sie war die größte und demonstrativste. Drei Wochen lang lernten wir, nahmen an Veranstaltungen teil und lernten die Arbeit in den Niederlassungen kennen. Für mich war es die erste und sehr nützliche Erfahrung, für die ich Viktor Kist dankbar bin. Ich habe versucht, all diese Erfahrungen künftig in meine eigene Arbeit einfließen zu lassen. In Karaganda wurden wir, die Vorsitzenden der regionalen Gesellschaften, so gute Freunde und schlossen uns zusammen, so dass wir seit vielen Jahren ein gutes Team sind. Der nächste Schritt war eine Ausbildung in Moskau. Gemeinsam mit unseren Kolleginnen Olga Litnewskaja aus Pawlodar und Elena Gakel aus Taraz haben wir im Pilotprojekt „Moderne Leiter“ zwei Jahre lang auf den Granit der Wissenschaft gebissen! Dieses Wissen, diese Erfahrung und diese Freundschaft verbinden uns noch immer und helfen uns bei unserer Arbeit.

Es gab eine sehr gute Praxis in unserem Leben – die Abhaltung von Gründerräten in verschiedenen Städten auf der Grundlage von regionalen Gesellschaften. Dies erleichterte den Erfahrungsaustausch, so dass jeder sehen konnte, wie die Dinge vor Ort liefen, und wir verstanden, wem wir helfen konnten und wie wir helfen konnten. Leider ist diese Praxis verschwunden, und in den letzten Jahren haben wir uns kaum noch getroffen. Gelebte Kommunikation führt immer zu guten Ergebnissen, trägt zu gegenseitigem Verständnis, gegenseitigem Respekt und zum Erreichen von Zielen und Vorgaben bei.

Ich kann nicht die Ökotouren außenvor lassen, die für mich die erfolgreichsten und produktivsten waren und sind. Zehn Jahre lang haben wir sie am Chelkar-See im Norden Kasachstans und im Süden in Taubulak mit Unterstützung der Taldykorgan-Gesellschaft unter der Leitung von Wladimir Molodtsow durchgeführt. Die Leute, die diese Projekte durchlaufen haben, wurden in ihren deutschen Jugendclubs sehr aktiv. Einige arbeiten weiterhin in unserer Struktur, andere haben bereits ihre Kinder in unsere Projekte gebracht und sind seit Jahren befreundet und kommunizieren miteinander, egal wo sie jetzt sind. Und natürlich das soziale Theater. Dieses Projekt begann im Jahr 2009, einem Jahr der Vorbereitung, und unsere erste Produktion, „Garten ohne Erde“, erblickte 2010 das Licht der Welt; „Wer ist der Nächste?“ 2011; der erste Teil der Produktion „Hoffnung in meinem Herzen“ 2012; und der zweite Teil 2013. Wir haben regelmäßig an den Theaterfestivals des Goethe-Instituts und des VDJK teilgenommen und sogar gewonnen. Viele der deutschen Jugendclubs haben jetzt ihre eigenen Theaterstudios. 2012 nahm unsere deutsche Gemeinde an dem Pilotprojekt „Zusätzliche Vorschulerziehung Wunderkind“ teil. In vielen Regionen Kasachstans wird es nach wie vor erfolgreich eingesetzt. Wir möchten auch die „Familienakademien“ erwähnen, dank derer eine große und eng verbundene Familie unserer deutschen Gemeinschaft „Wiedergeburt“ heranwuchs.

Ein Team von Gleichgesinnten ist eines der wichtigsten Bindeglieder in jeder Organisation. Wen würden Sie erwähnen?

Die Kontinuität zwischen den Generationen ist in unserer Arbeit sehr wichtig. Kinder, die alle Phasen des Aufwachsens in der Gesellschaft durchlaufen haben und an unseren Projekten teilgenommen haben, erweisen sich als gute Fachleute. Wir haben viele solcher Beispiele. Ohne ein Team von kompetenten und fürsorglichen Menschen ist es sehr schwierig, Aufgaben zu lösen und voranzukommen. Im Laufe der Jahre haben wir viele Projekte durchgeführt, von denen einige erfolgreich und regelmäßig durchgeführt werden, während andere aus dem einen oder anderen Grund nicht zustande gekommen sind.

Ich möchte mich bei vielen Menschen bedanken, aber ich möchte ihre Namen nicht hervorheben, da es viele von ihnen sind. Mit einem Wort: an all diejenigen, die sich um mich und unsere Deutsche Gesellschaft gekümmert haben, die mich viele Jahre lang in jeder erdenklichen Weise unterstützt und aktiv am Leben der Deutschen in Kasachstan teilgenommen haben. Ich möchte auch allen meinen Kolleginnen und Kollegen für die jahrelange gemeinsame Arbeit, die wertvollen Erfahrungen, die sie großzügig geteilt haben, das gegenseitige Verständnis und die Freundschaft, die Unterstützung und das Engagement für unsere gemeinsame Sache danken!

Lieber Igor Wernerowitsch, vielen Dank für das Gespräch. Wir bedanken uns auch unsererseits sehr herzlich für Ihre langjährige Arbeit und Professionalität und wünschen Ihnen viel Erfolg im neuen Lebensabschnitt.

Interview: Olesja Klimenko

Übersetzung: Annabel Rosin

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